VIADRINA-PRÄSIDENTIN: BÖSER ANGRIFF AUF DEUTSCHE PRESSE IN POLEN
: Schwan unter Falken

Sich in Geist und Seele des Nachbarn zu versetzen kann dem gegenwärtig schwierigen polnisch-deutschen Verhältnisses nur guttun. Vermieden werden sollte allerdings, das Bemühen um Verständnis in eine kritiklose Übernahme des nationalistischen Konfrontationskurses der polnischen Regierung umschlagen zu lassen. Doch Gesine Schwan, Präsidentin der Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), hat in einem Artikel für die polnische Tageszeitung Rzeczpospolita von Anfang September, der erst jetzt in den deutschen Medien bekannt wurde, deutsche Journalisten als Mitschuldige an der Verschlechterung der polnisch-deutschen Beziehungen benannt.

Im Fokus ihrer Kritik stehen Korrespondenten, die sie dem linken Lager zuordnet. Besonders aber hat sie es auf Thomas Urban, Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Warschau, abgesehen. Ihm wirft sie vor, mit dem vom Bund der Vertriebenen lancierten Projekt des „Zentrums gegen Vertreibungen“ zu sympathisieren, ganz so, als ob eine solche Haltung ihn von vorneherein für seine Arbeit disqualifiziere. Schwan übernimmt so mit ihrer Medienkritik die politische Linie von Staatspräsident Lech und Premierminister Jarosław Kaczyński, die die Verschlechterung der polnisch-deutschen Beziehungen hauptsächlich einer gezielten deutschen Pressekampagne zuschreiben. Wer wie Schwan argumentiert, erweist sich als blind gegenüber der systematisch betriebenen Abgrenzungslinie der Kaczyńskis, die im Wesentlichen innenpolitischen Imperativen folgt.

Nach Schwan identifizieren deutsche Medien die polnischen Nationalisten mit dem polnischen Volk und die polnische Kirche mit dem ultrarechten „Radio Maryja“. Für diese Attacke bleibt sie den Beweis schuldig. Um nur von der taz zu sprechen: Unser Blatt unterstützt die oppositionellen Kräfte der polnischen Zivilgesellschaft, gibt ihren liberalen und linken Publizisten Raum. Gleichzeitig wird sie weiterhin eine Regierung, die von den Nationalkonservativen bis zu den Klerikalfaschisten reicht, angreifen. Das hat mit Antipolonismus überhaupt nichts zu tun – im Gegenteil! CHRISTIAN SEMLER