Stoiber wieder im weiß-blauen Bereich

In Bayern hängt der Haussegen wieder gerade. CSU-Chef Stoiber ist nach seiner abrupten Rückkehr aus der Bundespolitik mehrmals nach Canossa gezogen, bei der Landtags-Fraktionsklausur erhielt er die Absolution

KLOSTER BANZ taz ■ Man könnte meinen, es sei gar nichts gewesen. „Bayern ist Spitze“, frohlockte Joachim Herrmann, Fraktionschef der CSU im Bayerischen Landtag, in den letzten Tagen auf Kloster Banz. „Es bestätigt sich nach wie vor: Die CSU ist einmalig, wir sind einmalig.“ Vier Tage hielt die Landtagsfraktion auf der herrschaftlichen Barockanlage über dem Main Klausur, mit dabei auch CSU-Chef und Ministerpräsident Edmund Stoiber – und die Stimmung war trotzdem gut. Man erinnere sich: Stoiber, ehemals Kanzlerkandidat, ehemals als Superminister in der derzeitigen Bundesregierung vorgesehen, musste üble Prügel einstecken, als er im letzten November die Lust an Berlin verlor und nach München zurückkehrte. Die Basis im Freistaat und die Fraktion im Maximilianeum meuterte gegen den Chef von Land und Partei, den König von Bayern. „Ich leide wie ein Hund“, gestand der Gescholtene irgendwann in den dunklen Wintertagen. Und nicht nur die Hälfte der Bayern sprach sich in einer Forsa-Umfrage für einen Rücktritt Stoibers aus, auch die CSU insgesamt geriet durch den Wankelmut ihres Chefs ins Trudeln. Nur noch 49 Prozent wollten CSU wählen. Beinahe sah es so aus, als ob mit der Landtagswahl 2008 die Ära Stoiber zu Ende gehen würde.

Aber Stoiber gab nicht klein bei, er kämpfte, reiste übers Land, sprach mit gefühlt allen der 173.000 Mitglieder starken Basis – und vor allem strich er die meisten seiner Flüge nach Berlin. Eine Rückbesinnung auf die Heimat, was im Falle Bayerns und der CSU eben auch eine Rückbesinnung auf die eigene – aber eben regional begrenzte – Macht ist. Auf Kloster Banz sagte der ehemalige Beinahe-Kanzler und Superminister ganz andere Sätze als vor einem Jahr: „Wir wollen natürlich auch in Berlin die Probleme Deutschlands lösen, aber unser wichtigstes Ziel ist die Mehrheit in Bayern.“ 6,2 Millionen hatten noch 2003 die Schwarzen gewählt, angenehme 60,7 Prozent sind das und mit diesen Mehrheiten macht das Regieren eben viel mehr Spaß, wie auch Stoiber freimütig erklärt: „Wir haben in Bayern den Schulterschluss zwischen Fraktion und Regierung, wir müssen keine handlungshemmenden Kompromisse schließen.“

Es ist diese Selbsterkenntnis, verbunden mit einigen Monaten demonstrativen Leidens Stoibers, die die bayerische Landtagsfraktion wieder besänftigt hat. „Wenn wir nicht mehr 50 Prozent plus x bei den Landtagswahlen erreichen, würde sich Entscheidendes ändern“, erklärt Jakob Kreidl das weiß-blaue Politsystem gegenüber der taz. Noch im November letzten Jahres war der Innenausschuss-Chef einer der Hauptkritiker Stoibers gewesen. Hans Gerhard Stockinger, Vorsitzender der Datenschutzkommission, hatte Stoibers Heimkehr dagegen stets befürwortet, er hält ihn in der Heimat für wichtiger. „Er ist zurückgekommen, um der CSU das Überleben zu sichern, und das ist gut so.“ Für Stockinger ist Stoiber ein Parteisoldat, der seinesgleichen sucht. „Sein innigstes Ziel ist es, die Partei stark zu halten.“ Daran soll sich zumindest für die nächsten Jahre nichts ändern, so Stockinger. Wer wisse schon, welche Politik ein anderer Ministerpräsident und Parteivorsitzender mache. „Vor Stoiber, unter Streibl, gab es auch Stagnation.“

Vielleicht ist dies das Augenfälligste, was Stoibers Berlin-Eskapaden bewirkt: Die CSU ist sich ihrer Stärke bewusst, hat aber erkannt, dass sich das in Windeseile ändern kann, sobald die Führung wackelt. „Solange eine Partei die bestimmende Mehrheit hat, wird es in Bayern so bleiben“, meint Henning Kaul zur taz, seit zwanzig Jahren im Landtag, Vorsitzender des Umweltausschusses. „Aber das würde jeder anderen Partei auch so gehen, auch wenn es vielleicht nicht so gut funktionieren würde wie mit der CSU.“ MAX HÄGLER