Der Ton wird rauer

RAUBKUNST Die Empfehlung der Limbach-Kommission, den Welfenschatz nicht restituieren, erregt die Gemüter

Viele Kunstverkäufe, die Juden in der Zeit des Nationalsozialismus tätigten, erfolgten unter Druck, und oft genug wurde dann auch noch der eh schon erpresserisch niedrige Erlös aus fadenscheinigen Gründen nicht ausbezahlt beziehungsweise bei der Auswanderung als Reichsfluchtsteuer eingezogen. Der Verkauf des Welfenschatzes durch ein Konsortium jüdischer Kunsthändler 1935 an den preußischen Staat, so beschied letzte Woche die Limbach-Kommission, die bei Streitfällen um NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter eingeschaltet werden kann, ist kein solcher Notverkauf. Ihrer Auffassung nach war der Kaufpreis zwar niedriger als der Einstandspreis, den das Konsortium 1929 an die Welfen für den Schatz mittelalterlicher Kirchenkunst bezahlt hatte. Das aber lag an der Weltwirtschaftskrise, in die die Händler mit ihrem spekulativen Kauf hineingeraten waren. Dass der Kaufpreis dann ausbezahlt wurde, bestreiten selbst die auf Herausgabe klagenden Anwälte der Erben des Konsorten Saemy Rosenberg nicht. Ihre Annahme, dass die Kunsthändler über den Kaufpreis nicht verfügen konnten, sieht die Limbach-Kommission nicht belegt.

Für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die den Schatz zu den bedeutendsten Ausstellungsstücken des zur Stiftung gehörenden Berliner Kunstgewerbemuseum zählt, in dem sie ihn seit Jahren ausstellt, ist der Streit trotz dieser Empfehlung wohl noch nicht ausgestanden. Die Anwälte Jörg Michael Cramer von Clausbruch und Sabine Rudolph, die die Erben des Wiesbadener Juweliers und Welfenschatz-Konsorten Hermann Netter vertreten, sprechen von einer „klaren Fehlentscheidung“. Sie wollen vor Gericht auf Herausgabe klagen. Auch die von den Netter-Erben beauftragte Provenienzforscherin Monika Tatzkow ist empört und verlangt die Auflösung der Limbach-Kommission. Der Ton wird rauer, gerade dort, wo Sensibilität gefordert wird. Von einem „geradezu obszönen, ernsthaften Restitutionsverlangen beschädigenden Begehren“ spricht der Berliner Rechtsanwalt, Kunstsammler und -förderer Peter Raue in Hinblick auf das Herausgabebegehren im Fall des Welfenschatzes im Tagesspiegel. Es ist für ihn Anlass, noch einmal die Frage einer Neuregelung der Verjährungsfrist, wie sie Bayern vorschlägt, zu untersuchen. Herausgabeverlangen gegen private Besitzer werden in Deutschland an der Verjährung scheitern, selbst wenn die bayerische Gesetzesinitiative umgesetzt wird, meint Raue. Wer heute Raubkunst besitze, werde die Einigung mit den Anspruchstellern suchen, schon weil er die Kunst nicht auf den Markt bringen kann. WBG