„Größter Erfolg? Jugendtisch- tennismannschaftsmeister“

„Als Grüner darf man nach 23 Jahren wirklich mal in einen neuen gesellschaftlichenBereich hinein rotieren“

INTERVIEW C. SCHURIAN
UND M. TEIGELER

taz: Herr Vesper, sind Sie der grüne Scharping?

Michael Vesper: Wie kommen Sie denn darauf?

Rudolf Scharping ist als Minister entlassen worden und zum Radsportverband gewechselt. Sie sind abgewählt worden, wechseln zum Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Keine Ähnlichkeit?

Überhaupt nicht. Ich gehe ja nicht wegen der verlorenen Landtagswahl, sondern weil das eine interessante Aufgabe ist. Die wäre auch reizvoll gewesen, wenn ich noch Minister wäre.

Tatsächlich?

Ja. Ich kann daran mitwirken, die Organisation des deutschen Sports neu aufzubauen und in meinem Alter noch einmal das Spielfeld wechseln.

Für einen Sportfunktionär sind Sie doch noch jung!

(Lacht) Jedenfalls fühle ich mich so.

Haben Sie davon geträumt, einmal Generaldirektor zu sein?

Das ist in der Tat ein Titel, der zu Assoziationen einlädt. Aber so steht er in der Satzung. Der Begriff ist der Schweiz entlehnt. Ich bin Chef des hauptamtlichen Bereichs und zugleich stimmberechtigtes Mitglied im ehrenamtlichen Präsidium.

Die FAZ hat geschrieben, da kommt ein Linker zum DOSB.

Ich kann mit diesen Rubrizierungen schon in der Politik wenig anfangen. Umso mehr gilt das für die Organisation des deutschen Sports. Ich wüsste nicht, was da links oder Realo oder CDU oder Grün für eine Bedeutung hat.

Herr Richthofen oder ihr Präsident Bach werden gemeinhin als konservativ eingeschätzt. Ist das wirklich kein konservativer Verband, der dort entstehen wird?

Nein, das ist ein ganz breites Bündnis. Im Präsidium habe ich etwa Ilse Ridder-Melchers wieder getroffen, mit der habe ich im Landeskabinett unter Johannes Rau zusammen gearbeitet. Oder nehmen sie den CDU-Bundestagsabgeordneten Eberhard Gienger. In der Sportpolitik geht es nicht primär um Parteizugehörigkeit, das haben wir auch im Landtag erlebt.

Es war zu lesen, dass die Beratungsfirma Kienbaum bei der Personalsuche involviert war. Wie kommt man an solch einen Job?

Ich bin gefragt worden und habe mein Interesse bekundet. Fertig.

Wir haben unsere eigene Theorie: Sie machen das, weil sie mit der Rhein-Ruhr-Olympiabewerbung 2003 gescheitert sind. Bei der nächsten Bewerbung wollen Sie selbst entscheiden.

Auch wenn sie gescheitert ist, hat die Düsseldorfer Olympiabewerbung eine nachhaltig positive Wirkung für unser Sportland gehabt. Das hat auch DOSB-Präsident Thomas Bach deutlich gemacht. Wir hatten in NRW in den letzten Monaten vier Weltmeisterschaften. Nein, es hat mich nicht der Frust in die Arme des DOSB getrieben.

Können Sie sich vorstellen, dass noch einmal eine Olympia-Bewerbung aus NRW kommt?

Warum nicht? Aber wir werden nicht mehr ein solches Auswahlverfahren machen. Das hat damals das Olympische Komitee sehr selbstkritisch gesehen. Man ist doch mit dem Zentimetermaß in die Hallen gegangen und hat nachgemessen, ob man da Volleyball spielen kann. Das war zu detaillistisch und zu wenig am Kriterium der internationalen Erfolgsaussicht orientiert.

In Ihren 23 Jahren als grüner Politiker waren Sie für uns vor allem der personifizierte Rotgrüne. Sehen Sie sich auch so?

Seit ich in Düsseldorf bin, hat das meine Arbeit sehr stark geprägt. Auch in Bonn ging das schon los mit der ersten rot-grünen Koalition in Hessen. Bis dahin war Joschka Fischer ja parlamentarischer Geschäftsführer gewesen.

Sie haben damals in einer rot-grünen Wohngemeinschaft gelebt.

Richtig. Als ich 1983 nach Bonn kam, bin ich in diese Wohngemeinschaft in der Kirschallee gezogen. Im Parterre wohnte Gerd Schröder. Ich wohnte im ersten Stock. Später kamen Waltraud Schoppe dazu, Renate Schmidt, Hubert Kleinert. Edelgard Bulmahn war Schröders Nachfolgerin – das war wirklich Rot-Grün am Küchentisch.

Und Sie waren für Sport zuständig?

Nein, für leibliche Genüsse.

Vor Wochen galt Rot-Grün als beerdigt. Nach den Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern schreiben es viele wieder zurück. Wer hat Recht?

Da sehen Sie, wie schnell sich Stimmungen ändern. Heute über die Wahlen von 2009 oder 2010 zu spekulieren, mag unterhaltsam sein, macht aber politisch wenig Sinn. Wir wissen nicht, was bis dahin passiert, wo sich neue Konstellationen ergeben. All das ändert sich in einem atemberaubenden Tempo, weil die Menschen nicht mehr von der Wiege an für eine Partei sind, egal welcher Besenstil aufgestellt wird. Sollte es in Berlin wieder eine rot-grüne Landesregierung geben, sehen viele das auch schon im Bund am Horizont. Das ist mir zu kurzatmig gedacht.

Was ist besser?

Politische Inhalte zu definieren. Darüber nachzudenken, wie man die eigenen Konzepte weiterentwickeln kann angesichts von Bevölkerungsentwicklung, Globalisierung oder der Situation der öffentlichen Kassen. Wie man unter diesen Rahmenbedingungen sinnvolle grüne Politik machen kann, die sowohl SPD wie CDU fordert.

Waren die rot-grünen Inhalte richtig oder muss man nachbessern?

Im Prinzip waren sie richtig. Das heißt aber nicht, dass jede politische Entscheidung richtig war.

Welche nicht?

Warum sind Sie so an der Vergangenheit interessiert? Hartz IV war in der Grundausrichtung richtig, aber in der Ausgestaltung sind Fehler passiert, was bei einem so großen Projekt unvermeidbar ist. Das Arbeitslosengeld mit der Sozialhilfe zusammenzulegen, war alternativlos. Auch die Auslandseinsätze der Bundeswehr fand ich richtig, weil Deutschland nach der Wiedervereinigung eine andere weltpolitische Verantwortung hat.

Mit Ihnen geht ein Platzhirsch der NRW-Grünen. Ist jetzt Platz für andere?

Niemals geht man so ganz, sang Trude Herr. Aber ich finde, Politiker wechseln zu selten auf eine andere Seite. Als ich 1983 angetreten bin, da haben die Grünen noch die Zwei-Jahres-Rotation vertreten. Nach 23 Jahren darf man also wirklich mal in einen neuen gesellschaftlichen Bereich hinein rotieren.

Im Gegensatz zu Ihrem Präsidenten Bach, dem erfolgreichen Fechter, waren Sie kein Spitzensportler. Was können Sie einbringen?

Enthusiasmus, Organisationserfahrung und starke Nerven, gestählt aus vielen Koalitionskrisen.

Haben Sie kein Sportabzeichen vorweisen müssen ?

Das nicht.

Bundesjugendspiele?

Mein größter sportlicher Erfolg war Dritter bei der westdeutschen Jugendtischtennismannschaftsmeisterschaft.

Das ist Ihr erster Job außerhalb von NRW.

Ja, darüber hinaus bin ich nie gekommen. Aber meine Familie bleibt ja in NRW. Ich werde die Brücke nicht abreißen und auch weiter die taz nrw lesen.

2009 oder 2010 kommt dann Ihr politisches Comeback.

Nein, mein Vertrag läuft bis 2011.

Wenn Sie jemand in ein Schattenkabinett holen will, sagt Michael Vesper also Nein?

Ich suche das Licht, nicht den Schatten.