Hauptsache nordisch

FESTIVAL Filme aus oder über Schleswig-Holstein will das dortige Filmfest bis Sonntag zeigen. Doch dieser regionale Bezug ist manchmal eher versteckt

„Augenweide“ nannte sich das Filmfest in Schleswig-Holstein bislang. Ein Titel, bei dem viele die Augen verdreht haben. Arne Sommern, der neue Leiter der Filmwerkstatt Kiel und somit auch Organisator des Filmfests, hat ihn im 18. Jahr abgeschafft. Das spricht für ihn. Ansonsten hat sich nicht viel geändert. In vier Tagen werden in der Pumpe in Kiel über 40 Filme gezeigt, die in der Region gedreht oder gefördert wurden oder deren Regisseure aus der Gegend stammen.

Beim Eröffnungsfilm „Farewell Herr Schwarz – Schnee von Gestern“ (heute, 19 Uhr) von Yael Reuveny ist dieser regionale Bezug eher versteckt. Es steckt ein wenig Fördergeld der Filmwerkstatt in dieser Dokumentation, in der die israelische Filmemacherin von der Suche nach einem in Deutschland verschollenen Verwandten erzählt. Der Bruder ihrer Großmutter ging nach dem Krieg nicht nach Israel, sondern lebte ganz in der Nähe des Konzentrationslagers, in dem er gefangengehalten wurde. Über ihren Versuch, die beiden Stränge ihrer Familie wieder zusammenzuführen, hat Yael Reuveny ihren Film gemacht, der auf dem Dokumentarfilmfest in Leipzig schon mit dem Förderpreis ausgezeichnet wurde.

Traditionell liegt der Schwerpunkt des Festival-Programms auf den Dokumentationen. Die Zuschauer sollen ihre Heimat aus anderen Blickwinkeln sehen. So etwa in „Nachbarn rollen vorüber“ (Freitag, 15 Uhr) von Linnéa Kviske und Michael Sindt. Ein Jahr lang haben sie mit der Kamera den Alltag einer Gruppe von Schwerstbehinderten begleitet, die an der Kieler Förde leben. Ebenfalls zwölf Monate lang waren Kay Gerde und Jess Hansen für „Leben ohne Netz und doppelten Boden“ (Freitag 18.30 Uhr) mit dem Wanderzirkus der Familie Hecker unterwegs. Quer durch Schleswig-Holstein ziehen sie mit acht Zirkuswagen und beziehen ihr Winterlager im Wohnwagen an einer Landstraße.

Im Vorprogramm läuft der Kurzfilm „Beige“. Silvia Hohlbaum versucht die Frage zu beantworten, warum norddeutsche Frauen und Männer sich ab einem gewissen Alter an gern in beige kleiden. Auch ein im Iran gedrehter Kurzspielfilm ist im Programm, denn Kaweh Kordouni, der Regisseur von „On this Monday“ (Samstag, 16.30 Uhr) hat einige Jahre in Kiel gelebt.

Die Retrospektive, die ja bei keinem Filmfestival fehlen darf, wurde vom Kieler Filmemacher Helmut Schulzeck zusammengestellt und dreht sich um 25 Jahre Filmförderung des Landes Schleswig-Holstein (Sonntag, ab 16 Uhr). Unter den zehn Kurzfilmen aus den Jahren 1993 bis 2011, die in der Retrospektive gezeigt werden, findet sich auch der gern gesehene Slasher-Lehrfilm „Staplerfahrer Klaus“ von Stephan Prehn und Jörg Wagner.  HIP

www.filmfest-sh.de