Schanghais Parteichef wird gefeuert

Die chinesische Führung macht Ernst mit ihrer Kampagne gegen Korruption. Chen Liangyu soll 400 Millionen Dollar aus der städtischen Pensionskasse abgezweigt haben. Dem Unternehmer und Befürworter des Transrapid droht jetzt die Todesstrafe

AUS PEKING GEORG BLUME

Der Chef der Kommunistischen Partei Chinas, Hu Jintao, hat nach vier Jahren im Amt seine erste große Machtprobe bestanden. Unter Leitung Hus hat das Politbüro der KP dem Schanghaier Parteichef Chen Liangyu Korruption vorgeworfen, ihn aus allen seinen Ämtern entfernen lassen und ihm harte Strafen angedroht. Chen war bisher selbst Politbüromitglied und ist das höchstrangige Korruptionsopfer innerhalb der KP seit dem Fall des Pekinger KP-Chefs Chen Xitong vor elf Jahren.

Die Absetzung des einflussreichen Schanghaier KP-Chefs ist Zeichen eines lange Zeit verdeckt gehaltenen Machtkampfs innerhalb der KP zwischen den Anhängern des ehemaligen Parteichefs Jiang Zemin und der Fraktion seines Nachfolgers Hu. Der geschasste Chen gilt als führender Kopf der „Schanghai-Fraktion“ von Jiang. Sein unrühmlicher Niedergang dürfte nun eine politische Neuordnung einleiten, in deren Zuge Hu-Adepten die in den meisten Parteigremien noch mehrheitlich vertretenen Jiang-Anhänger ablösen.

Chen Liangyu hatte es vor zwei Jahren gewagt, die Pekinger Wirtschaftspolitik zu kritisieren: Sie ersticke die Konjunktur, soll der Schanghaier KP-Chef in einer Politbürositzung aufbegehrt haben. Damals wie heute scheiden sich die Geister der Partei an Chinas überhitzten Wirtschaftswachstum. Jiangs Schule ist die liberalere: Sie will aus schlechter Erfahrung mit der Planwirtschaft die Eingriffe des Staats weitgehend zurücknehmen, egal wie schnell die Wirtschaft wächst. Für Hu dagegen hat der rasche Wachstum unter Jiang (1989 bis 2002) die Gesellschaft in Arm und Reich gespalten. Gerade in Zeiten des Superwachstums sei der Staat deshalb wieder als sozialer Umverteiler gefragt. Dementsprechend steht der sorglose Umgang mit der neuen Umverteilungsfunktion des Staaes im Mittelpunkt der Vorwürfe gegen Chen.

„Schanghai galt als nationales Vorbild für die Verwaltung der Sozialkassen. Der Skandal hat diese Illusion zerstört“, berichtete vor kurzem die Parteizeitung China Daily. Konkret wird Chen und seinen Parteioffizieren zur Last gelegt, 400 Millionen Dollar aus der Pensionskasse der Stadt auf illegale Art und Weise in die fragwürdigen Aktivitäten des Schanghaier Jungunternehmers Zhang Rongkun investiert zu haben. Die Pensionskasse ist aufgrund zahlreicher staatlicher Firmenauflösungen und einer sinkenden Zahl von Beitragszahlern hoch verschuldet. Dieser Schuldendruck und die Aussicht auf persönliche Bereicherung für die beteiligten Kader gelten als Auslöser des Skandals. Pikantes Detail: Unternehmer Zhang, der zu Chinas 20 reichsten Bürgern zählt, nahm das Geld, um die Autobahn zwischen Schanghai und Hangzhou zu kaufen und an den Gebühren zu verdienen. Genau auf dieser Strecke soll auch der deutsche Transrapid gebaut werden. „Die Gespräche darüber gehen definitiv weiter“, sagte gestern eine Transrapid-Sprecherin. Doch überschattet jetzt nicht nur der Unfall im Emsland die Pläne, sondern auch der Schanghaier Korruptionsskandal, in dem mit Chen ein wichtiger Befürworter des Transrapids untergeht.

Chen Liangyu wurde in den vergangenen Tagen von Mitgliedern der zentralen Disziplinkommission der KP aus Peking verhört. Bis zu hundert von ihnen hatten sich seit Wochen in einem Hotel eingemietet und systematisch Befragungen durchgeführt – ohne Polizei und Justiz. Diese werden erst jetzt, nach dem politischen Urteil des Politbüros gegen Chen, die Untersuchungen übernehmen und ein juristisches Verfahren einleiten. Angesichts der Summen, die im Spiel sind, wird es für Chen sehr schwer, der Todesstrafe zu entgehen.