Ein Denkmal für den Helden

SERBIEN Die Serben fürchten eine Revision von 1914. Dass Gavrilo Princip als „Terrorist“ gilt, hält man für eine Geschichtslüge

AUS BELGRAD ANDREJ IVANJI

Christopher Clarks Bestseller „Die Schlafwandler“ hat die in Serbien die Debatte über 1914 richtig in Fahrt gebracht. Denn der Historiker schildert Serbien 1914 als aggressives Königreich, das territoriale Ansprüche an Nachbarstaaten stellte, in denen serbische Minderheiten lebten. Viele in Serbien erkannten darin eine Anspielung auf die jugoslawischen Kriege in den 1990er Jahren, in denen Belgrad nach dem Zerfall Jugoslawiens die in Kroatien und Bosnien lebenden Serben in einem „Großserbien“ vereinigen wollte. Seitdem gilt Belgrad im Westen als Hauptverantwortlicher. Vor dem UN-Tribunal wurden vorwiegend serbische Politiker und Offiziere angeklagt. Der Westen, so sieht man es in Belgrad, habe die Serben einseitig für den komplexen jugoslawischen Bürgerkrieg schuldig gesprochen.

Dass nun Gavrilo Princip, der 1914 den Thronfolger Franz Ferdinand erschoss, sogar als Terrorist bezeichnet wird, hält man in Belgrad für skandalös. Ministerpräsident Ivica Dacic kommentiert kürzlich: „Gavrilo Princip als Terroristen zu bezeichnen, das ist so, als ob man Polen für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verantwortlich macht.“ Dacic war einst der Pressesprecher von Slobodan Milosevic.

Im serbischen Selbstbild stand man in zwei Weltkriegen stets auf der richtigen Seite. Nun fürchtet man, dass etwa bei Gedenkfeiern in Sarajevo die Geschichte des Ersten Weltkriegs zuungunsten Serbiens revidiert werden soll.

So schreibt Professor Cvijetin Ristanovic aus Bijeljina in der serbischen Entität Republika Srpska in Bosnien: „Das Ziel der Gedenkfeier in Sarajevo ist es, Serbien für den Ersten Weltkrieg verantwortlich zu machen.“ Deshalb boykottieren die Serben in Bosnien die zentrale Gedenkfeier in Sarajevo. Manche serbische Historiker vermuten zudem, dass in der Debatte über Princip das wieder mächtige Deutschland seine Schuld am Ersten Weltkrieg ausradieren möchte. Die Belgrader Tageszeitung Politika schreibt, die „Tatsache, dass der Erste Weltkrieg mit dem Angriff auf Serbien begann“, solle „unter den Teppich gekehrt werden“. In Belgrad wird Gavrilo Princip 2014 ein großes Denkmal gewidmet.