Alle produzierten wie verrückt

FESTAKT Beinahe abgeschlossen ist der Umbau der ehemaligen BVG-Hallen im Wedding in die Uferstudios. Heute feiert der größte Mieter, Berlins Hochschule für Tanz, ihren Einzug. Studenten lernen hier neben Profis der Szene

An der akustischen Dämmung musste viel getüftelt werden, das ist eine teure Sache

VON KATRIN BETTINA MÜLLER

Nina Kurtela hat 175 Tage Bauarbeiten in sechs Minuten Film zusammengepresst. Zwischen dem 22. Februar und dem 7. August dieses Jahres stellte sich die Tänzerin jeden Tag an genau den immer gleichen Punkt und in exakt gleicher Körperhaltung vor die Kamera in einer alten Wartungshalle für BVG-Busse im Wedding, die währenddessen zu einem Studio für Tänzer umgebaut wurde. Ihr Körper und die Kamera wurden zu zwei Konstanten in einem Raum, der sich radikal umwandelte. Im Zeitrafferverfahren kann man in ihrem Video „Transformance“ nun sehen, wie Bauarbeiter um sie herumrasen, Bagger und Gerüste auftauchen und verschwinden, Mauern neu eingezogen werden und der alte Boden unter ihren Füßen, die Brücken zwischen den Wartungsgruben, abgetragen wird. Sie selbst aber verlässt ihren Standort nicht, steht wie ein Denkmal im rasenden Fluss der Zeit und bekommt, als der alte Boden verschwunden ist, sogar einen Sockel untergeschoben, einen Stapel Paletten.

„Transformance“ ist das Zeugnis einer Übergangszeit. Heute Abend wird der Abschluss der Umbauarbeiten in den Uferhallen und der Einzug des Hochschulübergreifenden Zentrums Tanz (HZT) gefeiert. Nina Kurtela gehört zu den ersten Absolventen des 2006 gegründeten HZT, während ihres Studiums zogen Studenten und Bauleute in einer Art rollenden System von Halle zu Halle.

In einer DVD, die kurze Einblicke in Workshops, Seminare und Semesterarbeiten gewährt, sieht man die jungen Tänzer und angehenden Choreografen auch einmal durch die Wartungshalle toben, mit Wasser spritzen, in den Gruben planschen: Das Gelände glich einem Abenteuerspielplatz.

Ein tolles Nebeneinander

Barbara Friedrich ist die Geschäftsführerin der Uferstudios, die das Nebeneinander von Umbau und Ausbildung in den letzten zwei Jahren gemanagt hat. „Manchmal“, sagt sie bei einer Führung durch die fast fertigen Studios, „haben alle produziert wie die Verrückten, die Bauarbeiter, die Tänzer, ein tolles Nebeneinander, das auch Spaß gemacht hat. Das werde ich vermissen.“ Noch ist ihr die Erleichterung, es endlich geschafft zu haben, nicht anzumerken.

Die rote Backsteinarchitektur der Uferhallen, zwischen den zwanziger und den vierziger Jahren für die BVG gebaut, steht unter Denkmalschutz. Das war für den Umbau nicht immer einfach. Aber es ist in vielen Details gelungen, Bausubstanz und Elemente der Atmosphäre zu erhalten. Im Studio 14, der Probebühne, wurden etwa die alten Tore wieder auf ihre ursprüngliche Höhe gebracht und verglast: Sie erlauben den Blick über den Hof zur Straße, die so zum Bühnenprospekt werden kann. In der ehemaligen Waschhalle markieren Beleuchtungskörper im Boden die Stelle der Gruben.

Tageslicht und Parkett

Schilder und Markierungen blieben bestehen, „Schritt fahren“ steht im Hof. Darüber klebt ein Zettel „Kulturausschuss“. Der tagte hier gastweise. Die Berliner Kulturpolitiker ließen sich anschließend durch die Studios führen und wunderten sich, dass hauptsächlich Englisch geredet wurde. „Wir sind halt international“, sagt Barbara Friedrich, „sowohl was Studenten wie Professoren angeht.“

Neu sind das Heizungssystem und die Wärmedämmung, die Parkettböden, Garderoben und Duschen, die doppelschaligen Oberlichter und eine langgezogene Wand aus transluzidem Glas, die gleich mehreren Studios Tageslicht zukommen lässt. Vor allem an der akustischen Dämmung der Studios musste viel getüftelt werden, denn das ist eine teure Sache. Trotzdem gelang es, den Kostenrahmen einzuhalten. 4,3 Millionen Euro kamen für den Umbau aus der Stiftung Lotto.

14 Studios sind so entstanden, darunter vier à 260 qm, fünf à 170 qm. Fünf davon werden vom HZT genutzt. Zudem soll es eine Mediathek geben, einen Aufenthaltsraum und Büros, an denen noch bis November gearbeitet wird. Zwei der Studios nutzt die Tanzfabrik für eine Erweiterung: In der Möckernstraße in Kreuzberg, wo sich diese Schule vor 30 Jahren gründete, unterrichtet sie weiter in vier Räumen. Weitere Studios sind an Tänzer und Gruppen vermietet, für Training, Proben, Aufführungen: Ebenso wie die Studenten zeigen sie heute ein Programm, um den gemeinsamen Ort zu feiern.

Dieses Nebeneinander von Ausbildung und Profiszene ist eine der Besonderheiten in den Uferhallen: Dem Ziel des HZT, Studium und Praxis enger zu vernetzen, Lernziele am Bedarf zu orientieren, Erfahrungen über Produktionsbedingungen mit in die Ausbildung zu nehmen, kommt das sicher zugute.

Das HZT ist eine junge Schule, die fünf Jahre lang von der Kulturstiftung des Bundes gefördert wurde, mit dem Ziel, danach von den Berliner Partnern, der Universität der Künste und der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, auch finanziell übernommen zu werden. Im Sommer 2009 wurden die Hochschulverträge abgeschlossen. Auch darauf kann man heute Abend anstoßen.

■ Festakt in den Uferstudios, Uferstraße 8/23, mit künstlerischem Programm, heute ab 20 Uhr