Kein Karoshi, aber Kaizen

Eine kleine Geschichte Japans. Irgendwann hat man dort einfach die Tür zugemacht, nur um mal einige Jahrhunderte lang zu schauen, wie das ist, wenn man im eigenen Saft schmort. Als die Japaner aber Mitte des 19. Jahrhundert dazu aufgefordert wurden, die Tür doch bitte schön wieder aufzumachen für die vielen hübschen Dinge, die man mittlerweile anderswo entwickelt hatte, taten die Japaner das auch. Und haben sich die Dinge gleich nachgebaut, Lokomotiven, Autos, Computer, Musik. Alle Modelle. Der eigentliche Kniff bei dieser Übernahme von Schlüsseltechnologien aus dem Ausland aber ist das „Kaizen“. Die japanische Arbeitsphilosophie mit dem Streben nach ständiger Verbesserung, womit man die Originale selbstredend ziemlich schnell hinter sich lässt.

„Made in Japan“ ist ein Gütesiegel, dem man vertrauen darf, gerade in den Randgebieten der Musik. Wenn man sich etwa für den Progressive Rock interessiert, wird man hören, dass selbst in dieser Spielart noch was geht mit Feuer und Leidenschaft. Wenn man sie nur einer japanischen Band überlässt. Oder, ganz was anderes, Samba. Eine Hüftschwungmusik, die mich eigentlich eher nicht erreicht, was wohl ein genetischer Defekt sein muss. Bei einem Fachfestival für brasilianische Musik aber mutierte ich dennoch zum bekennenden Sambafan. Wenigstens die Stunde lang, in der eine japanische Sambatruppe über die Bühne tobte. Es war toll.

Und im Feld der nachgearbeiteten Sixties-Musik kann man nun wirklich nichts falsch machen, wenn man zu einem Konzert mit einer japanischen Beatband geht. Funktioniert immer. Weil sich japanische Beatbands tatsächlich den Hintern aufreißen und, kaum auf der Bühne, gleich explodieren, während andere Musiker in dem Geschäft erst einmal stundenlang interessiert ihre Schuhspitzen begucken und sich dann vielleicht dazu bequemen, zur Kenntnis zu nehmen, dass da auch ein Publikum vor der Bühne steht.

Und da es sind ja gerade die kleinen Dinge. So ein „Danke“ zum Beispiel und nicht einfach das international gängige „Thank you!“. Was zeigt, dass die Musiker schon wissen, wo sie gerade sind und dass man dafür wenigstens ein Wort gelernt hat, „Danke“. Genau diese unaffektierte Höflichkeit war auch wieder am Mittwoch bei den Minnesota Voodoo Men zu hören. Bei seinem Konzert im Bassy Club legte sich das Trio aus Tokio auch gleich derart ins Zeug und zappelte so tobsüchtig um die Mikroständer, dass man fast schon ein Karoshi fürchtete, diesen japanischen Tod durch Überarbeiten im Beruf. Sie strengten sich also wirklich an. Und dann tat das das Publikum halt auch. Aber so sollte ein Konzert doch sein. Lärm, Schweiß, Tanzen. Danke für die Musik aus Japan. THOMAS MAUCH