Der Hang zur Vernunftehe

Unsere „Agronauten“ fragen: Sind Sie bereit fürs Land? Das gilt heute vor allem für Frauen im ehefähigen Alter

Hans ist ein Bauer ohne eigene Landwirtschaft. Er arbeitet als Verwalter auf Höfen, die einem Futtermittelkonzernen gehören. Einmal fuhr er nach Hannover – zu einem Heiratsinstitut, das auf Partnervermittlungen für Landwirte spezialisiert war.

Er wollte versuchen, in einen Hof reinzuheiraten, musste sich aber sagen lassen, dass das nicht so einfach sei, es gäbe weitaus mehr Bauern, die eine Frau suchen – egal ob mit oder ohne Hof –, als Bäuerinnen, die einen Mann suchen.

Danach versuchte er es mehrmals mit Heiratsannoncen in einer Bauernzeitung. Aber auch hier erntete er nur kostspielige „Angebote“ von Agenturen, die ihm Frauen aus Osteuropa „andrehen“ wollten.

Dann lud ihn jedoch ein Bekannter, der beim Fernsehen arbeitete, zu einer Tour ins Elsass ein. Dort sollte es ein Dorf geben, in dem ein Bauer eine Thailänderin geheiratet hatte! Und diese Frau war dort so gut im Dorf angekommen, dass nun auch alle anderen Bauern mit Thailänderinnen verheiratet waren. Da niemand genau wusste, wie das Thailänderinnen-Dorf hieß und wo es war, mussten sie sich durchfragen. Das dauerte zwei Tage, wobei sie noch Glück hatten, denn die Erntezeit war vorbei und in jedem Ort gab es ein Feuerwehrfest. Sie waren überall willkommen und man lud sie ein, sich an den Tombolas zu beteiligen. Dabei gewannen sie etliche Preise: „Die hatten da im Elsass überhaupt keine Nieten,“ wunderte sich Hans. Außerdem tranken und aßen sie dort überall gut und reichlich. Und einmal kam einem anderen Festbesucher die Idee, dass sie vielleicht sein Dorf suchten – gleich hinterm Berg –, in dem vier Frauen aus Mauritius lebten.

Und tatsächlich war es das: Ein Bauer hatte dort eine Mauritianerin geheiratet und die hatte dann ihre zwei Schwestern überredet, sich ebenfalls mit Männern aus diesem Dorf zu liieren. Anschließend hatte auch noch der Bürgermeister eine Lehrerin aus Mauritius geheiratet. Alle vier Frauen sangen im Kirchenchor mit und waren auch sonst gut angesehen im Dorf.

Allerdings war nur der Mann der ersten Landwirt, die anderen arbeiteten bei Mercedes-Benz. Die Frauen waren sehr gastfreundlich, sie luden die zwei Deutschen nacheinander zu sich nach Hause ein und unterhielten sich mit ihnen bei einer Tasse Kaffee. Danach fuhren die beiden Männer nach Hause.

Hans widmete sich wieder seiner Arbeit auf einem Heidehof bei Lüneburg. Im Frühjahr 2003 entdeckte er in der Bauernzeitung eine Annonce für einen Workshop über neue Formen des Wirtschaftens und Zusammenlebens in ländlichen Betrieben. Die Veranstaltung sollte auf einem Hof bei Potsdam stattfinden. Hans meldete sich an. Aber dort merkte er schnell, dass es um ökologische Landwirtschaft und freie Liebe ging, was ihn beides nicht so interessierte, außerdem war ihm Unterbringung und Essen dort zu „jugendherbergsmäßig“. Am nächsten Tag zog er in ein Hotel am Messegelände, wo gerade die Internationale Tourismusbörse stattfand. Aus Langeweile ging er dort hin – und landete irgendwann am Stand von Mauritius. Hier kam er mit einer Stand-Mitarbeiterin namens Paulina ins Gespräch. Sie war nur für die Dauer der ITB in Berlin, aber sie gab ihm ihre Adresse.

Als sie wieder in Mauritius war und Hans wieder auf seinem Hof, schrieb er ihr und sie schrieb ihm zurück. Im Herbst nach der Ernte besuchte er sie zu Hause. Sie arbeitete in einem Reisebüro. Und obwohl noch Hochsaison war, kümmerte sie sich zwei Wochen lang sehr liebevoll um ihn, so dass er sie nach Weihnachten erneut besuchte. Während der darauffolgenden ITB trafen sie sich beide wieder in Berlin.

Danach beschloss Hans zu kündigen und nach Mauritius zu ziehen. Dort heiratete er Paulina und die beiden kauften sich ein kleines Haus mit 3.000 Quadratmeter Land, auf dem Hans nun Gemüse anbaut, außerdem hält er einige Dutzend Hühner. Seine Frau arbeitet noch immer in ihrem Reisebüro, aber wenn es Hans gelingen sollte, einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb aufzubauen und der sich als rentabel erweisen sollte, dann will sie aufhören und bei ihm einsteigen. HELMUT HÖGE