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Unter Nachbarn

RÜTTI Die sonntaz war nah dran am künftigen Chef. Sie sah ihn in Badeschlappen. Er trug sie mit Würde

Wir waren Nachbarn, gut zwei Jahre lang. Weil das Meinungsressort näher bei den aktuellen Ressorts sitzen sollte, musste der Sport aus seiner Ecke im dritten Stock weg. Also etwa dort im taz-Haus, wo an der Fassade Kai Diekmanns – künstlerisch verfremdeter – Penis seine ganze Kraft entfaltet, nur damit Sie wissen, wo die Sportler mal waren: mittendrin.

Der Umzug wies den Leibesübungen einen Platz entsprechend ihrer tatsächlichen Bedeutung im taz-Kosmos zu. Sechster Stock, zwischen Dachschräge und Archivschubern. Mit klapperndem Fahnenmast, aber schön hell.

Für uns von der sonntaz hieß das: neue Nachbarn. Da guckt man ja erst mal. Ein großer Blonder aus dem Thüringischen und ein Bayer mit auffälliger Halskette. Der Bayer – „der Rüttenauer“ – fluchte manchmal, schien sich aber wohlzufühlen. Schon kurz nach dem Umzug schlurfte er morgens, verschwitzt von seiner fünfzig Kilometer langen Radtour zur Arbeit, durch unsere Räume und federte – „Servus“ – wenig später aus der für ihn eingebauten Dusche zu seinem Schreibtisch. Wir sahen ihn in Badeschlappen, intimer geht’s ja kaum, aber das störte weder uns noch ihn.

Es war wie in einer WG, in der man auch in Unterhose rumlaufen kann – was er nicht tat, aber hätte tun können. So einen lässt man ungern gehen. Kürzlich schrieb er uns eine Postkarte und wünschte „weiterhin gute Nachbarschaft“. Da wusste er noch nicht, zu was ihn höhere Mächte ausersehen hatten.

Felix Zimmermann leitet die sonntaz. Er trägt Badeschlappen nur heimlich

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