Ungarn versucht wieder zur Normalität zurückzukehren

GIFTSCHLAMM Tage nach dem Unglück in der Alufabrik dürfen die Menschen zurück in die verseuchten Dörfer

WIEN taz | Im Katastrophengebiet Westungarns sind alle um Normalität bemüht: Die fast 800 Einwohnerinnen und Einwohner der Ortschaft Kolontár, die vor einer Woche ihr Dörfer verlassen mussten, durften am Freitag in ihre Wohnungen zurück – soweit diese noch da sind. Mehrere Häuser waren am 4. Oktober weggerissen worden, als sich giftiger Rotschlamm aus dem geborstenen Rückhaltebeckens des Aluminumwerks MAL ergoss. Andere Häuser mussten einem neu errichteten Schutzwall weichen. Die Rückkehrer bekamen vom Zivilschutz Gesichtsmasken und Handschuhe.

Aluwerk arbeitet wieder

Der Alltag beginnt auch wieder für das Aluminiumwerk MAL in Ajka, das bereits mit dem Vorheizen begonnen hat und im Laufe des Wochenendes wieder vollen Betrieb fahren will. Der vor wenigen Tagen ernannte Staatskommissar György Bakondi hat grünes Licht gegeben. Gleichzeitig gab er den Auftrag, die Bücher des Betriebs zu durchforsten, damit die Vermögenslage des Schadensverursachers beurteilt werden kann. Die Rotschlammdeponien wurden allesamt auf ihren Zustand überprüft. Sie stellen offenbar keine Gefahr da. Greenpeace wandte sich gegen die Inbetriebnahme der Aluhütte.

Die Produktion entspreche nicht dem neuesten Stand der Technik, erklärte die Umweltorganisation. Anlass zur Sorge sei insbesondere der hohe pH-Wert des anfallenden Rotschlamms zwischen 13 und 14, der im Falle eines Unfalls ein hohes Risiko darstelle. In der Alufabrik im norddeutschen Stade weist Rotschlamm dank eines Natronlauge-Auswaschprozesses nur einen pH-Wert von 9,4 auf. „Das zeigt uns, dass MAL nicht nur in ihre Deponien und Dämme, sondern auch in ihre Produktionstechnologie investieren muss“, sagt der Greenpeace-Chemieexperte Herwig Schuster.

Luftbelastung befürchtet

Anders als die ungarische Regierung hält Greenpeace auch die Feinstaubbelastung der Luft nicht für unbedenklich. In Budapest will man jedoch das Urteil von EU-Experten abwarten. Dauerhafte Schäden für die Donau fürchten zumindest die kroatischen Behörden nicht. Sie registrierten Anfang der Woche im Donauwasser eine Aluminiumkonzentration, die um das 4,5-Fache über dem Maximalwert lag. Bis Mittwoch sei der Wert auf das 2,1-Fache zurückgegangen. Die Verschmutzung scheint rasch weitergeschwemmt zu werden.

RALF LEONHARD