schurians runde welten
: Messis wie wir

„Wir hätten Messi nur foulen müssen, dann hätten wir das Tor vielleicht nicht bekommen.“ (Torsten Frings)

Lionel Messi – den Namen muss man lieben. Vor allem, wenn man Schreibtisch-Messi ist. Ich teile die Neigung zu zugemüllten Arbeitsflächen übrigens mit Klaus Steilmann, den ich nur noch liebevoll den „Boss“ nenne. Auch der einstige Textilkonzernchef und Fußballsüchtige sitzt im Büro vor einem Chaos – dem mit Papierstapeln, Büchern, Zigarettenstangen überladenen Tisch. Die Bild brachte mal Tischbilder aus dem Revier, die „Schreibtische der Mächtigen“ nannten die Presse-Messis ihre Serie. Dass Steilmann nicht daran dachte, für den Boulevard seinen Tisch aufzuräumen, dass eine Bildlegende zu erklären versuchte, was wo zu sehen war – ich mochte das und der einstige CDU-Kassenwart wurde mir richtig sympathisch. Ich verzieh ihm sogar den Kult um Wattenscheid.

Weil er nicht gerne Bürger der Nachbarstadt wurde, meldete Steilmann seine Firmenwagen stets in Essen an. 1974 stellte er sogar ein Bürgerbegehren gegen die Eingemeindung auf die Beine. Und – sein erfolgreichster wie gemeinster Coup – dem VfL Bochum spannte er für eine Weile das Idol aus: In Steilmanns Werksauswahl schnürte Michael „Ata“ Lameck eine Weile lang seine Fußballstiefel – ausgerechnet der VfL-Rekordspieler mit 518 Bundesligaeinsätzen musste Boss Steilmann Vorlagen servieren. Ist eine süßere Rache an der imperialistischen Nachbarstadt denkbar? Nein.

Damit keine Verdächtigungen die Runde machen: Es hat umgekehrt nichts mit Bochum zu tun, dass der Textilkonzern fast Pleite ging und jetzt in italienische Hände geraten ist. Der VfL Bochum trägt auch keine Schuld daran, dass die Sportgemeinschaft Wattenscheid 09 derzeit sieglos am Tabellenende der Oberliga Westfalen rangiert – die SGW spielt erst am 15. Oktober gegen Bochums Zweitvertretung.

An Steilmann habe ich auch gedacht, weil im Sportfernsehen gerade eine Neuheit angepriesen wird, die so genannte DSF-Stadionjacke. Ein unförmiger Anorak mit eingenähtem Sitzkissen, einem Gitterfach für Eintrittskarten, Taschen für Radio und Handy. Steilmann hatte eine wirklich clevere Funktionsklamotte schon vor vier Jahren bei einem Leichtathletikwettkampf vorgestellt – eine IT-Weste für Sportjournalisten.

Das ganze nannte sich Smart-Wear und muss man sich als Symbiose aus Computer und Kleidung vorstellen. Der Westenträger konnte sich über ein Display informieren, ob Starts verschoben wurden, Sportler ausfielen. Übrigens: Für Messis wie uns ist der Computer eine segensreiche Erfindung – man sieht ihm die Unordnung nicht an.

CHRISTOPH SCHURIAN