„Lieben Sie Ihre Radfahrer!“

RADKULTUR Was unsere Verkehrsplaner von Kopenhagen lernen können, zeigt ein Besuch auf der Velo

Und dann gibt es ein kleines, peinliches Schweigen: nämlich als Verkehrs-Staatssekretär Christian Gaebler auf dem Podium die Frage beantworten soll, ob Berlin Radfahrern eine gute Infrastruktur zu bieten hat. Nach einer Schrecksekunde lachen alle und der SPD-Politiker, der zur Eröffnung der 4. VELO Berlin sportlich mit offenem Hemdkragen erschienen ist, sagt, na ja, man sei auf einem guten Weg: Die Fahrradstreifen seien in den letzten fünf Jahren auf die doppelte Länge angewachsen. Aber klar, das gehe noch besser: „Wir sind eine Fahrradstadt, aber Kopenhagen und Amsterdam sind uns noch voraus.“

Die Verneigung vor der dänischen Hauptstadt ist einerseits der Höflichkeit geschuldet, immerhin ist Dänemarks Botschafter zur Eröffnung der Fahrradmesse am Funkturm gekommen, samt dem dunkelroten Botschaftsfahrrad, mit dem später die Veranstaltung eingeklingelt wird. Andererseits könnte die Bescheidenheit noch deutlicher ausfallen: Wer Kopenhagen kennt, hat eine Ahnung davon, wie es im Radlerhimmel aussieht, während man sich in Berlin höchstens bis ins Fegefeuer hochgearbeitet hat.

Dänemark ist erstes Partnerland der VELO, die mit 250 Ausstellern in sieben Hallen auf ernstzunehmende Ausmaße gewachsen ist. Jede Menge Hersteller präsentieren pedalbetriebene Gefährte für Alltag, Freizeit, Sport und Arbeit. In Foren werden Perspektiven für den Lastentransport diskutiert, es geht um Radtourismus – und um die politische Dimension.

Kopenhagen ist mit der Wanderausstellung „The Good City“ präsent, die zeigt, wohin sich urbane Radfahrerkultur entwickeln könnte: Wie wäre es etwa mit luftigen Rad-Highways, die sich über die Dächer emporschwingen? Für derartige Visionen ist in Berlin immer noch der Arzt zuständig. Am Stand der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kann man sich von engagierten, aber leicht frustrierten Verkehrsplanern erklären lassen, wie kompliziert es ist, neue Radverbindungen zu schaffen, wenn die Bezirke nicht auf Parkplätze verzichten wollen.

Staatssekretär Gaebler werden hoffentlich noch lange die Worte von Klaus Bondam im Ohr klingeln. Der ehemalige Umweltstadtrat Kopenhagens und heutige Vorsitzende des dänischen Radfahrverbands Cyklistforbundet riet Politikern: „Denken Sie langfristig – ein bisschen Farbe für Radstreifen ist nicht genug!“ Und: „Lieben Sie Ihre Radfahrer, denn sie tun viel Gutes für Ihre Stadt!“ CLAUDIUS PRÖSSER