I’m blocked in Turkey

ORTSTERMIN In die Türkei einreisen durfte unser Autor nicht – aus der Zelle heraus twittern schon

Ich will dabei sein, wenn am Sonntag in der Türkei gewählt wird. Und ich will am nächsten Tag dort sein, selbst wenn fast alle Freunde dem eher bange als hoffnungsvoll entgegenblicken. Oder gerade darum. Donnerstagabend, Tegel–Atatürk.

Beim letzten Mal war ich etwas länger als die drei Monate im Land geblieben, die man als deutscher Staatsbürger ohne Visum bleiben darf, und musste eine Geldstrafe zahlen. Was ich nicht weiß: Man hat gegen mich ein Einreiseverbot von drei Monaten verhängt. Das erfahre ich erst bei der Passkontrolle in Istanbul.

Ich darf nicht rein. Ein Polizist bringt mich zur Flughafenwache. Manchmal werde bei Visumsverstößen ein Einreiseverbot verhängt, manchmal nicht, sagt er. Wovon das abhängt, weiß er nicht, auch später kann mir das niemand sagen. Nach den Formalitäten führt mich ein Mitarbeiter der Flughafensicherheit in eine Sammelzelle: Neonlicht. 15 Klappbetten, auf einige schlafen ein paar Männer. Ein Fernseher läuft, über die Sprechanlage erteilen die Bewacher Anweisungen. Man werde mich am nächsten Morgen wecken und im ersten Flugzeug zurückschicken, sagt der Sicherheitsmann. Hinter ihm fällt die Stahltür zu.

Festgenommen bin ich nicht. Aber ich bin eingesperrt. Der Unterschied: Ich darf mein Telefon behalten. Auch ins Internet komme ich, nur nicht auf Twitter, klar, ist ja gesperrt. Ich rufe zu Hause an, dann die Freundin, bei der ich die kommenden Tage verbringen wollte, und eine Anwältin. Sie kann nichts tun. Ich überlege, ob ich meine Kontakte zu türkischen Abgeordneten oder zur deutschen Botschaft bemühen soll, komme aber zu dem Schluss, dass dies in der jetzigen Situation aussichtslos ist. Stattdessen lasse ich mir erklären, wie man mit einem Mobiltelefon die Sperre umgeht. Alle Welt redet über die Twittersperre in der Türkei. Keine fünf Minuten, und ich bin ich auf Twitter und kann aus dem Polizeigewahrsam meine Selfies twittern. Mein Hashtag: #ImBlockedInTurkey

Mit mir in der Zelle sind zwei Endzwanziger aus Dagestan. „You know? Fucking country rata-tata-tamm“, sagt der eine und bestätigt meine Kenntnisse über Dagestan. Dann kommen zwei Syrer, schließlich eine Gruppe von Togolesen. Wer weiß, aus welcher Hölle diese Menschen kommen, in die man sie zurückschicken wird? Aber mir ist nicht danach, sie zu fragen.

Am Morgen bringt mich ein Sicherheitsmann zum Gate. Mit mir wird eine Deutschjordanierin im Tschador zurück nach Berlin geschickt, die mit ihren zwei kleinen Kindern reist.

Zurück in Berlin verständige ich die türkische Botschaft und das Konsulat. Die Leute sind sehr zuvorkommend. Aber das Einreiseverbot könne nur vom Innenministerium aufgehoben werden, was bis zu zwei Wochen dauern würde. Am Sonntag ist Wahl. Ich bin auf Twitter. DENIZ YÜCEL