Politiker streiten, Private klagen

Die privaten Krankenversicherer wollen vors Verfassungsgericht ziehen und so die Gesundheitsreform stoppen

BERLIN taz ■ Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und ihr Expertenteam aus Unions- und SPD-Politikern konnten sich gestern nicht auf weitere Details der geplanten Gesundheitsreform einigen. Das letzte Treffen der Runde erbrachte weder Klarheit, wie der Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen geregelt wird, noch zur Zukunft der Privaten Krankenversicherung. Mit diesen Punkte müssen sich nun Kanzlerin Angela Merkel und die Mitglieder des Koalitionsauschusses an ihrem Treffen am Mittwoch beschäftigten.

Der Finanzausgleich soll sicherstellen, dass Krankenkassen, die viele kranke und arme Mitglieder haben, beim Start des Gesundheitsfonds finanziell nicht abgehängt werden. Sie sollen zusätzlich zum Einheitsbeitrag aus dem Fonds noch einen Zuschlag erhalten. Die Union wünscht sich diesen Risikostrukturausgleich in abgespeckter Form.

Den privaten Krankenversicherern plant das Gesundheitsministerium vorzuschreiben, dass diese für alle Versicherten einen Basistarif anbieten sollen. Der soll die Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse umfassen und darf nicht nach dem Prinzip „Je kränker und älter desto teurer“ funktionieren, sondern soll sich nach dem Einkommen richten. Außerdem will das Ministerium den privat Versicherten per Gesetz erlauben, ihre angesparten Rücklagen für die Wehen des Alters beim Wechsel in eine andere Versicherung mitzunehmen. Diese Altersrückstellungen blieben bisher beim jeweiligen Versicherer und dienten dazu, die Tarife der übrigen Mitglieder zu subventionieren.

Gegen jegliche Veränderungen will der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) bis vor das Verfassungsgericht ziehen, wie zwei von der PKV berufene Gutachter, Gregor Thüsing und Otto Depenheuer, gestern in Berlin erklärten. Ein Basistarif würde das Geschäftsmodell der privaten Krankenversicherungen zerstören. Auch die Mitnahme der Altersrückstellungen sei verfassungswidrig. Keine Bedenken sieht dagegen der PKV-Experte Ulrich Meyer von der Hochschule Bamberg: „Wenn ein Siebzigjähriger kündigt, weil er den Tarif nicht mehr bezahlen kann, dann hinterlässt er etwa 75.000 Euro als private Rückstellungen. Es gibt überhaupt keine Berechtigung, warum andere davon profitieren“, meint Meyer. Er hält es aber für gerechtfertigt, dass diese Ersparnisse zu einer gesetzlichen Krankenkasse mitgenommen werden können und in den allgemeinen Topf fließen, da alte Menschen nach dem Umlageprinzip von jüngeren subventioniert würden.

ANNA LEHMANN