Neuer Nato-Generalsekretär

In Moskau hätten angesichts der Wahl von Jens Stoltenberg zum Nato-Generalsekretär wohl die Sektkorken geknallt, vermutet eine konservative norwegische Webseite. Sie erinnert daran, dass der 13-jährige Jens seinerzeit aus Protest gegen den Vietnamkrieg die Fensterscheiben der US-Botschaft in Oslo zertrümmerte, ganz abgesehen von seinem ausgesprochen guten Draht nach Moskau.

Dieser Kontakt ist nützlich in Norwegen, das neben Estland und Lettland das einzige Nato-Land mit einer Landgrenze zu Russland ist. In die Regierungszeit von Exministerpräsident Stoltenberg fällt zum Beispiel die Lösung eines jahrzehntelangen Konflikts zwischen beiden Ländern über die Grenzziehung im Nordmeer und der Abschluss mehrerer Arktisabkommen. Angesichts der Ereignisse auf der Krim betonte der 55-Jährige ausdrücklich „die guten und pragmatischen Beziehungen zwischen Norwegen und Russland“: Er hoffe, die Krise werde „durch politischen Dialog“ gelöst.

Wenn Washington sich für den Noch-Parteivorsitzenden der norwegischen Sozialdemokraten erwärmen konnte, so weil er gediegene politische Erfahrungen aufweisen kann, aber auch verspricht, nicht zu eigenständig werden zu wollen, und seit Jahren unbedingte Loyalität zu den USA bewiesen hat. Von Bosnien bis Afghanistan und der Teilnahme am Libyenkrieg stand Norwegen auf der Seite der USA. Stoltenberg war es auch, der den Kauf des teuren US-Kampfjets F-35 durchdrückte und Norwegen ein wachsendes Militärbudget bescherte.

Von der Ableistung des Wehrdiensts abgesehen, fehlt dem Volkswirtschaftler, der als Juso-Vorsitzender zum „bestaussehenden Politiker“ des Landes gewählt und bei seinem Amtsantritt 2000 jüngster Regierungschef in Oslo war, ein militärischer Hintergrund. Angela Merkel soll es gewesen sein, die ihn Barack Obama empfohlen hat. Vermutlich wegen seiner Fähigkeit zu verantwortungsvollem Krisenmanagement, das Stoltenberg auch im Zusammenhang der Breivik-Terrortaten im Juli 2011 bewiesen hat. Die Antwort auf Gewalt seien nicht Gegengewalt, Abschotten und schärfere Gesetze, erklärte er da, sondern mehr Offenheit, Humanität und Demokratie. REINHARD WOLFF