Einsatz verlängert

Von DOMINIK SCHOTTNER

Wenn man nur auf die Zahlen guckt, war die Verlängerung des Afghanistaneinsatzes der Bundeswehr durch den Bundestag eine klare Angelegenheit. 492 Abgeordnete von Union, SPD, FDP und Grüne haben gestern beschlossen, dass die rund 3.000 Bundeswehrsoldaten im Rahmen der Nato-Mission Isaf ein weiteres Jahr beim Wiederaufbau in Afghanistan helfen sollen. 71 Abgeordnete, die Linksfraktion komplett, stimmten dagegen, 9 enthielten sich.

Der Stimmung im Plenum entsprach dieses Votum aber genauso wenig wie das unverändert verlängerte Mandat der gefährlicher werdenden Lage in Afghanistan gerecht wird. Nicht mehr nur Oppositionspolitiker fordern deswegen jetzt die Bundesregierung auf, eine sogenannte Exit-Strategie zu entwerfen – einen Plan für den Abzug der Bundeswehr aus dem Land. Und die, die das nicht explizit tun, lassen die Regierung inzwischen verdeckt wissen, dass man die im Plenum häufig zitierte Realität in Afghanistan, die noch dazu immer schlimmer wird, doch nicht ignorieren könne.

So zum Beispiel Christian Ruck, Entwicklungspolitiker der Unionsfraktion. Zwar findet er das neue, durchaus selbstkritische Afghanistankonzept der Bundesregierung „genau richtig“. Doch Ersuchen der im Landessüden stationierten Kanadier, die die deutsche Expertise im Wiederaufbau gut gebrauchen können, werde man nur schwerlich ablehnen können, sagte er im Bundestag. Bezeichnend, dass Ruck für diese Beinaheforderung nach einer teilweisen und temporären Verlegung deutscher Truppen in den Süden keinen Beifall aus den eigenen Reihen bekam.

Ganz anders sein Parteifreund Eckart von Klaeden. Seine naheliegende Erkenntnis, dass „die Ziele der Realität angepasst werden müssten“, kam quer durch alle Fraktionen gut an, sagte aber freilich wenig über das Wie dieser Anpassung aus.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier ließ in seiner Rede immerhin durchblicken, dass man sich im Bereich der Polizeiausbildung, der Bildung und gegen den Drogenanbau noch stärker als bisher engagieren wolle. Eine Aufstockung des deutschen Truppenkontingents lehnt die Bundesregierung jedoch ab. „Afghanistan ist nur dann verloren, wenn wir es aufgeben“, sagte der Außenminister.

In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung hatte der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler bereits vor der Abstimmung gesagt, „angesichts der verheerenden Entwicklung ist ein ‚Weiter-so‘ ausgeschlossen.“ Die „Irakisierung des Konflikts“, die rasant gestiegene Mohnernte und die Korruption bis in höchste Staatsämter hinein, erforderten „jedenfalls eine grundsätzlich neue Strategie“, so Gauweiler. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sagte der taz, die Bundesregierung müsse eine Exit-Strategie ins Auge fassen. Es dürfe nicht dazu kommen, dass Bundeswehrsoldaten wegen der gefährlichen Lage mit „Hubschraubern aus Kabul ausgeflogen werden müssen“. Eine Erhöhung der Truppenzahl lehnen Ströbele wie auch Gauweiler ab. Ströbeles Fraktion forderte die Regierung in einem Antrag zudem auf, genauer und schneller Bericht über die Lage vor Ort zu erstatten sowie die Mittel für Entwicklungshilfe und Polizeiausbildung zu erhöhen.

Der deutsche Botschafter in Kabul, Hans-Ulrich Seidt, hatte nach Informationen der Bild-Zeitung den Auswärtigen Ausschuss bereits am Mittwoch indirekt aufgefordert, das Sicherheitskonzept für den Einsatz anzupassen. Widrigenfalls könnte die afghanische Regierung in den kommenden 12 bis 18 Monaten die Kontrolle über das Land verlieren.