SLOWFOOD-TERROR IN DER MARKTHALLE NEUN, DIE BRÜSTE-GALA FÜR KAEY UND EINE KIEZ-TALKSHOW IM VALENTIN STÜBERL
: Häppchen, Täschchen und Gläschen

VON CHRISTIANE RÖSINGER

Das Wochenende beginnt ja am Donnerstag, aber wer in der Nähe der Kreuzberger Markthalle Neun wohnt, der bleibt am Donnerstag ab fünf am besten zu Hause und verriegelt die Tür. Immer donnerstags bricht nämlich die schlimme Streetfood-Plage über unsere Straße herein.

Letztendlich geht es dabei darum, dass verschiedene Gastro- Unternehmer an Ständen der alten Eisenbahn-Markthalle überteuerte Fingerfood-Häppchen aus aller Welt anbieten. Weil das aber gerade so arg in ist, strömen Menschen von überall in der Stadt herbei. So stehen sie dann in Hundertschaften mit Weißweingläsern auf der Straße herum. Daneben ihre Autos, dazu RBB-Übertragungswagen und originelle, im Vintage-Stil beschriftete Gastronomie-SUVs und Landrover parken in Dreierreihen. Und alle fühlen sich herrlich genießerisch slow-foodig, während wir Anwohner uns höchstens mal am Austernstand vorbeidrücken, um zum rettenden Aldi zu gelangen.

Eine Freundin hatte vergangene Woche den bösen Donnerstag vergessen, war der Halle zu nahe gekommen und in den Sog einer riesigen Menschentraube vor der Tür geraten. Schließlich steckte sie inmitten von zweitausend Streetfood-Enthusiasten samt Täschchen, Häppchen, Gläschen in den Händen fest. Als dann noch eine zwölfköpfige Mariachi-Kapelle mit schmetternden Trompeten die Halle beschallte, erlitt sie einen Nervenzusammenbruch. Seither meidet sie den Ort, auch weil ihr donnerstags immer bedrohliche Wörter wie „Buttersäure“ oder „Bombendrohung“ durch den Kopf geistern.

Vor dem Fernseher hat der Mensch noch Ruhe, und am Donnerstag wurde die Echo-Preisverleihung übertragen. Es war schlimm wie immer, aber mit neuen Facetten. Über lange Strecken sah die Veranstaltung so aus wie „Das Frühlingsfest der Volksmusik“ mit Florian Silbereisen, oder „Willkommen bei Carmen Nebel“. Die nominierten Songs und Bands kennt man aus Berichten von Karneval-, Mallorca- und Après-Ski-Partys. Schlager ist der neue Pop. Aber es wird nicht nur auf Englisch und Deutsch, sondern zunehmend auch auf Elbisch gesungen. Die Pagan-Folk-Band Faun hat ihr Album gar „Von den Elben“ betitelt, und eine Newcomerin namens Oonagh, bisher bekannt aus „Gute Zeiten Schlechte Zeiten“, singt ganz auf Elbisch.

Freitag begann dann das richtige Wochenende, und für uns Unterhaltungskünstler heißt das natürlich Arbeit. Also nicht das normale Ausgehen, das ja auch immer schon Arbeit ist, sondern richtig arbeiten, Arbeit- Arbeiten. Im Südblock fand eine Gala für die Brüste der stadtbekannten Trans-Diva Kaey statt, organisiert von einigen ihrer Bühnenfreund_innen. Unter dem Motto „Zwei Brüste für ein Halleluja“ wollte man helfen, den Herzenswunsch der Künstlerin nach zwei großen Brüsten zu erfüllen, nachdem die Krankenkasse das Ansinnen abgelehnt hatte. Durch den bunten Abend führten Inge Borg und Gisela Sommer, zuerst mit einem mediengestützten Vortrag über die Geschichte der weibliche Brust seit den Primatinnen, dann performten unter anderem die Mitglieder_ innen des Queerriotclub, ich sang ein paar Songs, und die großartige Hedi Mohr trug ihre perfekten Chansons zuerst in perfektem Outfit und dann ganz ohne Outfit vor.

Kaum hatte man sich von der Brust-Gala erholt, ging es am Samstag schon wieder weiter mit dem Arbeiten, diesmal als Talkgast der Reihe „Simi will Format“, eine Kneipentalkshow im Neuköllner Valentin Stüberl. Erfunden hat das Format Simi Simon, die auch als Sozialarbeiterin im Bezirk tätig ist. Es war gesteckt voll, das Ambiente erinnert an „Inas Nacht“, ohne Singerei, dafür mit selbst produzierten Videos und Internetschnipseln. Es waren optimale Arbeitsbedingungen, mit mir talkte noch der reizende Regisseur Bernd Mottl – und mit Wodka Tonic und anregendem Gespräch ging das arbeitsreiche Wochenende in den freien Sonntag über.