berliner szenen Ehe auf dem Prüfstand

Halt, Diskretionszone!

Abends kaufe ich das Geld gern im Ausgehbezirk der Jugend unserer Stadt. Gerade in Friedrichshain wird man im Vorraum der Banken oft Zeuge schlimmster Schicksale, wenn der Automat kein Geld für das Wochenende gibt. Erst neulich habe ich einem Mädchen die Tränen getrocknet und sie damit getröstet, dass ich auch nur noch dreißig Euro bekommen würde, obwohl ich schon mittelalt bin.

Gestern stand ein Mann vor mir in der Schlange, der trug ein T-Shirt, auf dem stand „Eat Garlic“. Was ich passend fand, weil er auch danach roch. Vermutlich habe ich den Erfolgsschauspieler deshalb nicht sofort erkannt, denn von ihm erwartet man Glamour und gewiss keine Ausdünstungen. „Kennst du den?“, hätte ich den Jungen hinter mir gern gefragt. Doch wie alle im Vorraum telefonierte er mit seinem handlichen Telefon.

Deshalb musste ich allein zusehen, wie der Erfolgsschauspieler an den Geldautomaten herantrat. Die Frau neben ihm, die vermutlich seine war, drängte sich an ihn, was ihm aber nicht zu gefallen schien. Zuerst versuchte er es in Körpersprache zu zeigen und wandte ihr den Rücken zu. Als sie immer noch nicht von ihm wich, sagte er laut: „Diskretionszone!“

Schon sahen die ersten von ihren handlichen Telefonen auf, dann wurden wir ungewollt Voyeure eines Ehekrachs. Denn die Frau des Erfolgsschauspielers wollte endlich die Geheimnummer ihres Mannes wissen, darauf habe sie nach all den Jahren des Erfolges schließlich ein Recht. Das fanden einige in der Schlange auch. „Jetzt sag es ihr doch!“, riefen sie und wir anderen, inzwischen mutig geworden, stimmten zu. „5720!“ schrie der Erfolgsschauspieler und zerbrach die Geldkarte.

JUTTA RAULWING