: Mit den Ohren reisen
„Ein Weg, Menschen kennen zu lernen, ist, ihnen zuzuhören oder ihre Musik zu studieren.“ Gespräch mit dem Autor, Weltmusiker und Indienfahrer Peter Pannke über den Klangkontinent Indien, das Reisen auf den Spuren der Musik
INTERVIEW EDITH KRESTA
taz: Auf der Spur einer Klangfarbe, so ist es Ihrem Buch zu entnehmen, sind Sie in den 70er-Jahren zum ersten Mal nach Indien gekommen. Welche Rolle spielte für Sie damals der Hippie-Trail nach Indien?
Peter Pannke: Ich habe davon profitiert, dass sich damals unsere Kultur für Einflüsse der östlichen Kulturen geöffnet hat. Es drangen seltsame Klänge aus Asien zu uns. Ich war einer von denen, die darauf gehört haben.
Und was haben Sie gefunden
Ich habe in Indien einen erstaunlichen Reichtum an Klängen gefunden, die bei uns gar nicht mehr existierten, die aber etwas mit unserer Vergangenheit zu tun haben. Ich habe diesen Klangspuren die Erkenntnis zu verdanken, dass indische Musik nicht etwas ganz anderes ist als europäische Musik, sondern dass wir miteinander verwandt sind. Das indische Tonsystem existierte im mittelalterlichen Europa. Insofern war es eine Spurensuche nach den eigenen Ursprüngen.
Die Musik als Vermittler?
Ein Weg, Menschen kennen zu lernen, ist, ihnen zuzuhören. Auf diese Art und Weise habe ich sehr viel gelernt. Ich glaube, was für mich besonders wichtig dabei war, war das Erlebnis, über Land nach Indien zu fahren. Wenn ich mir heute etwas wünschen dürfte, dann würde ich mir wünschen, das wir wieder über Land nach Indien fahren könnten.
Sie meinen über die Türkei, Iran, Afghanistan …?
Ja. Ich glaube, dass man ein Land wie Indien viel besser versteht, wenn man weiß, was zwischen uns und diesem Land liegt. Um nach Indien zu kommen, symbolisch gesprochen, muss man durch einen Ozean von Klischees waten und eine Berg von Vorurteilen übersteigen, um nur die Umrisse des Klangkontinents zu begreifen.
Also ist es für heutige Reisende schwieriger geworden, Indien zu verstehen ?
Schwierig ist die Tatsache, dass Reisende heute keine Zeit mehr haben. Wenn man keine Zeit investieren kann und keine Muse hat, sich dem Anderen auszusetzen, wie will man dann etwas mitbekommen?
Sie hatten Zeit?
Ich habe mir Zeit genommen, nicht an Karriere gedacht.
Also doch ganz Hippie?
Mehr Lebenskünstler.
Weltmusik und Reisen hat das eine Verbindung
Wenn man wirklich reist, gibt es kurze Perioden, wo man wie eine Flipperkugel durch die Welt schießt und nicht weiß, wo man hingehört. Das sind Perioden, in denen man einen Seinszustand hat, wo man die Umgebung aus einer anderen Perspektive beobachtet. Früher oder später muss man sich dann zu erkennen geben. Bis dahin sind es oft sehr harte Erfahrungen.
Was heißt für Sie reisen?
Für mich heißt reisen mit den Ohren reisen und immer auf den Spuren der Musik reisen. Überall wo ich hinfahre – in den letzten Jahren auch sehr viel nach Afrika – habe ich immer gefunden, dass Musiker sehr viel über ihr Land ihre Kultur wissen und weitergeben können. Das sind Begegnungen mit Kommunikatoren.
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