„Die Schweiz ist ein Sonderfall“

Die Rechtspopulisten in Österreich haben bei der Wahl am Sonntag gute Aussichten, sagt der Publizist Oliver Geden. Anders als in der Schweiz können sie sich dort an der Regierung aber nicht mehr wie eine Oppositionspartei gerieren

taz: Herr Geden, am Sonntag sind Wahlen in Österreich. Erwarten Sie einen Erfolg der beiden rechtspopulistischen Parteien?

Oliver Geden: Ja, zusammengenommen werden das „Bündnis Zukunft Österreich“ (BZÖ) wie auch die FPÖ, aus der es hervorgegangen ist, wohl zulegen können. Die Oppositionspartei FPÖ wird womöglich in den zweistelligen Bereich kommen. Die Strategie rechtspopulistischer Parteien funktioniert am besten in der Opposition: Da muss man keine Kompromisse machen und kann sich die Bereiche aussuchen, die man aufgreift und kritisiert. Das sind dann vor allem die Themen, mit denen sich leicht Wähler gewinnen lassen.

Wie ist denn die Logik der rechtspopulistischen Parteien?

Die Logik ist, einen Gegensatz zwischen „uns“ und „den anderen“ zu konstruieren. Das „Wir“ besteht aus der schweigenden Mehrheit und ihren „authentischen“ Vertretern, den rechtspopulistischen Parteien. Als „die anderen“ gelten vor allem die Eliten und die von diesen angeblich „bevorzugten“ Minderheiten, vor allem Migranten. Rechtspopulisten entwerfen eine Konfliktkonstellation, in der „das Volk“ von abgehobenen Eliten regiert wird, die sich nicht für die Bedürfnisse der Mehrheitsgesellschaft interessieren. Damit sprechen sie viele Wähler an.

Aber wenn rechtspopulistischen Parteien an der Regierung beteiligt sind wie das BZÖ in Österreich, können sie dieses Bild nicht mehr halten?

In der Regierung ist es sehr schwer, glaubwürdig darzustellen, dass man nicht Teil von „denen da oben“ geworden ist. Als kleiner Koalitionspartner musste die FPÖ und später das BZÖ sehr viele Kompromisse machen. Die politischen Entscheidungen der Koalition mussten von allen Funktionären nach außen vertreten werden. Sie konnten nicht länger Positionen vertreten, die realpolitisch nicht umsetzbar waren. Das bedeutet aber nicht, dass sie politisch nichts bewirkt haben.

In der Schweiz war die rechtspopulistische SVP trotz Regierungsbeteiligung sehr erfolgreich: Am vergangenen Sonntag wurde auf ihr Betreiben hin das stark verschärfte Asylrecht in einer Volksabstimmung bestätigt.

Das stimmt, die Schweiz ist da ein Sonderfall. Im schweizerischen Regierungssystem gibt es keinen Koalitionsvertrag. Deshalb kann die SVP auch als Regierungspartei noch die gleichen Positionen vertreten wie in der Opposition: Mit dem Instrument der Volksabstimmung haben sie die Möglichkeit, immer wieder auf Themen zu setzen, mit denen sie die Konstellation „wir“ gegen „die anderen“ verfestigen können.

Hilft Kritik überhaupt gegen Rechtspopulisten? Die öffentliche Empörung scheint ihnen ja eher willkommen zu sein.

Das hängt davon ab, wie es geschieht. Die Rechtspopulisten kalkulieren bei ihren Kampagnen die öffentliche Empörung über ihre Provokationen bereits mit ein. Wenn Medien und etablierte Politiker vor allem den Stil und die Rhetorik der Rechtspopulisten kritisieren, können diese ihren Wählern sagen: „Seht ihr, über die wahren Probleme darf in diesem Land nicht diskutiert werden.“

Warum ist gerade die Asylpolitik das Lieblingsthema rechtspopulistischer Parteien?

Weil bei diesem Thema die Polarisierung sehr gut funktioniert. Eliten und Ausländer werden zusammen als „die anderen“ dargestellt. Asylpolitik verbinden Rechtspopulisten immer auch mit dem Thema „Ausländerkriminalität“, um ihre Empörung zu legitimieren und um immer wieder Beispiele aus dem Alltag geben zu können. So funktioniert das Geschäft mit der Angst. Wenn sie erfolgreich sind, können sie zusammen mit den Boulevardzeitungen eine Misstrauenskultur etablieren.

Wen sprechen die Rechtspopulisten mit ihrer Strategie an? Die Wähler in Österreich und der Schweiz scheinen ja nicht gerade zu den marginalisierten Gruppen zu gehören.

Das nicht, aber viele fühlen sich zumindest vom Abstieg bedroht. Das sind nicht unbedingt Arbeitslose, sondern eher Facharbeiter und kleine Angestellte. Die meisten haben auch keinen hohen Bildungsabschluss. Der Anteil der männlichen Wähler liegt bei 60 Prozent. Aber ab einer gewissen Größe finden diese Parteien Wähler in allen Schichten.

Welche Strategie empfehlen Sie den etablierten Parteien in Österreich, um den Rechtspopulisten in Zukunft das Wasser abzugraben?

Sie dürfen ihnen vor allem keinen Anlass geben, sich als ausgegrenzte Gruppe darzustellen. Ich denke, man muss sich stärker inhaltlich mit ihnen auseinandersetzen und ihre Strategien offenlegen. In den großen Parteien in Österreich fehlt die Bereitschaft, sich mit der Elitenkritik, die so viele Wähler anspricht, ernsthaft auseinanderzusetzen. Sie können die Debatte aber nicht einfach ignorieren.

INTERVIEW: SOPHIE HAARHAUS