Krise in Serbien

Regierungschef legt neuen Verfassungsentwurf vor. Seine Partei ärgert sich und will Neuwahlen

BELGRAD taz ■ Ein neuer Verfassungsentwurf für Serbien hat das Land in eine neue politische Krise gestürzt. Drei Minister und die Vizeministerpräsidentin der Partei „G 17 Plus“ des serbischen Premiers Vojislav Kostunica reichten gestern ihren Rücktritt ein. Die G-17-Parteispitze hatte bereits vor Monaten beschlossen, aus der Regierung und dem Parlament auszutreten, falls die Gespräche Serbiens über ein Assoziierungsabkommen mit der EU nicht bis zum 1. Oktober wieder aufgenommen werden. Brüssel hatte im Mai die Gespräche solange suspendiert, bis der wegen Kriegsverbrechen gesuchte, in Serbien vermutete bosnisch-serbische Exgeneral Ratko Mladić dem UN-Tribunal in Den Haag ausgeliefert wird.

„Europäische Integrationsprozesse und die damit verbundenen wirtschaftlichen und politischen Reformen in Serbien sind wegen Mladić bedroht“, sagte Milan Pajević, außenpolitischer Experte von G 17, zur taz. Serbien sei in eine politische Sackgasse geraten und Neuwahlen – wahrscheinlich bis zum Jahresende – seien die beste Lösung. Noch vor dem Rücktritt der G-17-Minister wurde deutlich, dass die von den antieuropäischen Milošević-Sozialisten (SPS) unterstützte Minderheitsregierung Serbiens dem Druck von allen Seiten nicht standhalten kann.

Premier Kostunica konnte vier Monate nach dem Loslösen Montenegros aus dem Staatenbund nicht einmal eine parlamentarische Mehrheit für die Gründung eigener serbischer Verteidigungs- und Außenministerien sichern. Mit dem Rücken zur Wand ergriff der sonst sprichwörtlich passive Premier die Initiative: Die Bürger Serbiens sollen über eine neue serbische Verfassung abstimmen, die Kosovo als untrennbaren Bestandteil Serbiens definiert, abstimmen. Dieser Entwurf wurde gestern vorgelegt.

Wer nicht für diese Verfassung ist, wird schuld an einem eventuellen Verlust des Kosovo, sein, lautet die Botschaft, die die Serben zu den Urnen locken soll. Trotz zahlreicher Einwände hat Kostunica auf diese Weise im Eiltempo die notwendige Zweidrittelmehrheit im Parlament für das neue Grundgesetz gesichert, das allerdings noch Serbiens Wahlberechtigte in einem Plebiszit bestätigen müssen. Die laufenden Kosovo-Statusverhandlungen sollen bis zum Jahresende abgeschlossen werden. Alles weist auf eine Unabhängigkeit der zu über 90 Prozent von Albanern bewohnten südserbischen Provinz hin, die unter UN-Protektorat steht. ANDREJ IVANJI