: Im Westen ackern, im Osten altern
Ost-West-Wanderung: Ältere oder Studenten kommen in die neuen Bundesländer, Jüngere auf Jobsuche verlassen sie
BERLIN taz ■ Wer Geld verdienen will, geht in den Westen. Wer hingegen ein beschauliches Örtchen zum preiswerten Altern sucht, zieht in den Osten – diesen Schluss legen die neuen Zahlen zur Abwanderung nahe, die das Statistische Bundesamt gestern vorlegte. Danach hat sich die Wanderung von Ost nach West im Jahre 2005 leicht abgeschwächt.
137.200 Leute zogen im vergangenen Jahr aus den neuen Bundesländern in den Westen, die umgekehrte Richtung wählten 88.200 Menschen. Die neuen Bundesländer verloren damit per Saldo rund 49.000 Einwohner an die alten Bundesländer, ein Jahr zuvor waren es noch 51.700 Menschen gewesen.
Während vor allem jüngere Leute von Ost nach West ziehen, kehrt sich das Verhältnis bei den Alten, wenn auch in geringem Maße, um. So verlor beispielsweise Brandenburg in der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen fast 8.200 Einwohner an den Westen, umgekehrt wanderten nur 3.200 Leute aus den alten Bundesländern ein. Bei den über 50-Jährigen kamen jedoch fast 2.600 Menschen aus dem Westen, während nur 2.140 in dieser Altersgruppe wegzogen.
Ob die zugezogenen Älteren ehemalige Ostdeutsche waren, die im Alter wieder in die Heimat zurückkehrten, oder ob sogar der eine oder andere Westdeutsche sich entscheidet, seinen Altersruhesitz irgendwo an der Ostsee in Mecklenburg-Vorpommern zu nehmen, darüber gebe es keine Daten, hieß es gestern beim Statistischen Bundesamt. Einige Städte wie das oft zitierte Weimar verzeichnen einen bescheidenen Zuzug Älterer, die auch wegen der Kulturgeschichte einen Wohnsitz in der Stadt beziehen.
Doch nicht nur Ältere gehen aus Heimatgefühlen oder wegen der niedrigeren Lebenshaltungskosten vom Westen in die neuen Bundesländer – auch viele Studierwillige aus Niedersachsen, Bayern oder anderen alten Bundesländern wählen einen Studienort im Osten und verbessern so die Wanderungsbilanz der Jüngeren. In der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen gehen zwar fast doppelt so viele Leute in den Westen, wie von dort hereinkommen. Bei den Studienanfängern aber kommen auf drei in den Westen Abgewanderte fast zwei junge Zuzügler, ergibt sich aus der Hochschulstatistik.
Wer mit dem Studium fertig ist, geht dann aber wieder zum Geldverdienen in den Westen. „Ostdeutsche Bundesländer bilden die Eliten für Bayern aus“, heißt es warnend im Bildungsmonitor 2006 des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).
Die Wissenschaftler maßen den „Braindrain“ von Ost nach West, in dem sie die Zahl der beschäftigten Forscher und Entwickler in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik ins Verhältnis setzten zur Zahl der Hochschulabsolventen in diesen Fächern. In Bayern lag diese Quote unter dem Durchschnitt aller Bundesländer, dort gibt es also im Verhältnis zu den Beschäftigten in diesen Bereichen vergleichsweise wenig Hochschulabsolventen. In Mecklenburg-Vorpommern war es umgekehrt.
BARBARA DRIBBUSCH
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