Zwei Justizsysteme

Kritiker fürchten, das neue Anti-Terror-Gesetz schafft Militärtribunale für Ausländer und reguläre Zivilgerichte für US-Staatsbürger

WASHINGTON taz ■ In Erwartung neuer Gerichtsprozesse, die sein Antiterrorgesetz unterminieren könnten, ließ US-Präsident Bush den Text „bulletproof“, also wasserdicht machen. So enthält das neue Gesetz vorsichtshalber gleich einen Passus, der eine Revision weitestgehend ausschließt. Zudem schränkten seine Autoren die Gültigkeit internationaler Verträge ein, die den Umgang mit den Gefangenen in Guantánamo regeln – und die Washington selbst unterschrieben hat. Gleichzeitig versichert der Text aber, dass die USA sich an alle internationalen Abkommen halte.

Verfassungsrechtler reagierten besorgt auf das neue Antiterrorgesetzes. „Es ist die Handschrift einer Bananenrepublik“, moniert Sanford Levinson von der Universität Texas. Neal Katayal von der Washingtoner Georgetown University meint, dass das Gesetz zwei Justizsysteme schaffe: Militärtribunale für Ausländer und reguläre Zivilgerichte für US-Staatsbürger. Das, so Katayal, stehe im Widerspruch zum 14. Verfassungszusatz, der allen Menschen unter der US-Justiz gleiche Rechte garantiere.

Douglas Kmiec von der Pepperdine University, dass der Kongress „verhältnismäßig gut gehandelt habe, indem er einen fairen Rahmen des Verfahrens geschaffen habe“. Kmiec fragt sich allerdings, wie der oberste Gerichthof auf die Tatsache reagieren werde, dass den Guantánamo-Gefangenen mit dem neuen Gesetz grundsätzlich das Recht der Unschuldsvermutung entzogen wurde – und damit jede Chance gegen ihre Haftbedingungen zu klagen.

Martin Ledermann, Verfassungsrechtler an der Georgetown University, ist sich sicher, dass das Gesetz dem Geheimdienst CIA weiterhin ermöglicht, Gefangene zu foltern. „Sie haben scheinbar eine gesetzliche Definition von grausamer Behandlung festgelegt, die aber nicht für die CIA gilt. Vielmehr verhindert das neue Gesetz die Klärung durch Gerichte, ob eine Befragungstechnik der Genfer Konvention entspricht oder nicht.“ ADRIENNE WOLTERSDORF