Bahnstreik bleibt

VON THORSTEN DENKLER

Die Warnstreiks der Bahngewerkschaften Transnet und GDBA sollen weitergehen. Ab kommenden Dienstag sollen sie zunächst zwei weitere Wochen fortgesetzt werden. „Wenn sich dann nichts bewegt, werden wir weitere zwei Wochen streiken“, kündigte Transnet-Chef Norbert Hansen gestern in Berlin an.

Die Gewerkschafter wollen damit ihrer Forderung nach einem Tarifvertrag zur Sicherung der Bahn-Arbeitsplätze Nachdruck verleihen. Den geltenden Vertrag mit der Deutschen Bahn AG hatten sie im Juni aufgekündigt. Kurz zuvor hatte die Regierungskoalition von SPD und CDU/CSU angekündigt, das Schienennetz der Bahn zum geplanten Börsengang vom Konzern abkoppeln zu wollen. Die Gewerkschafter befürchten den Verlust von Arbeitsplätzen. Gestern hatten sie mit den ersten Warnstreiks seit 2003 den Personen- und Güterverkehr in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland behindert.

Zu den Streiks war es nach Angaben von Hansen gekommen, nachdem ein Sondierungsgespräch zwischen Gewerkschaftsvertretern und Bahnvorständen am Donnerstagnachmittag ergebnislos endete. Die Bahn hatte angeboten, auf Grundlage eines Vorschlags von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) weiter über den Tarifvertrag zu verhandeln. Die Gewerkschafter lehnten ab, auch weil der Vorschlag auf politischer Ebene noch umstritten sei, sagte Hansen.

Bahn-Sprecher Volker Knauer warf den Gewerkschaftern vor, sie hätten sich „auf ihre Maximalposition zurückgezogen“. Transnet habe eine Lösung „für alle denkbaren Fälle“ gewollt. „Das können wir nicht anbieten“, sagte Knauer der taz.

Tiefensee will bei einem Börsengang des Bahn-Konzerns das Schienennetz lediglich juristisch in Bundeseigentum belassen. Wirtschaftlich würde das Netz weiter vollständig und damit bilanzwirksam zur Bahn gehören. Der Zustand soll 20 Jahre aufrechterhalten werden. Wenn die Bahn das Netz nachweislich vernachlässigt, soll der Bund ein Zugriffsrecht auf das Schienennetz haben.

Der Bundesvorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, hält die Warnstreiks für ein „abgekartetes Spiel“ zwischen Gewerkschaften und Bahn. Damit solle der Druck auf die Politik erhöht werden, die Schiene im Bahn-Konzern zu belassen. Den Gewerkschaften warf er vor, es sei „eine Dummheit, sich so an die Deutsche Bahn AG zu koppeln“.

Im Bahn-Lenkungsausschuss des Deutschen Bundestages hatten sich die Abgeordneten am Donnerstag nicht auf ein Privatisierungsmodell einigen können. Zur Debatte stehen neben dem Tiefensee-Vorschlag zwei weitere Modelle. Das von der Union bevorzugte „kleine Eigentumsmodell“ sieht vor, das Schienennetz lediglich im Auftrag des Bundes von der Bahn bewirtschaften zu lassen. Der Bund bliebe Eigner. Der Bahnkonzern wäre lediglich Auftragnehmer.

Das dritte Modell wird als „integrierter Börsengang mit Rückholoption“ bezeichnet. Danach ginge die Bahn komplett an die Börse. Allerdings behielte sich der Bund ein jederzeitiges Rückholrecht für das Schienennetz vor. Alle Modelle sollen weiter geprüft werden. Das nächste Treffen wurde für den 26. Oktober vereinbart.

Die Sachverständigen der unabhängigen Monopolkommission der Bundesregierung hatten am Donnerstag in einem Sondergutachten die vollständige Trennung der Deutschen Bahn vom Schienenetz gefordert. Alles andere wäre „aus wettbewerbspolitischer Sicht ein schwer zu korrigierender Fehler“.

Das würde auch dem Schutz der Bahn-Konkurrenten dienen. Die Bahn hätte „zahlreiche Diskriminierungsmöglichkeiten“ gegenüber Wettbewerbern, wenn sie Besitzer oder auch nur Verwalter des Schienennetzes bliebe. Die Sachverständigen empfehlen, eine neutrale Infrastrukturgesellschaft mit der Bewirtschaftung und der Vermarktung der Schienenwege zu beauftragen.

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