Geräuschlos, sportlich und CO2-neutral

ZUKUNFT Elektrisch betriebene Autos sind effektiv und können klimaneutral fahren. Erste Prototypen rollen über die Straßen

Die Akkus von E-Autos könnten überschüssige Wind- oder Sonnenenergie speichern

VON LARS KLAASSEN

Steffen Kümmell hatte bereits eins in der Tiefgarage: ein Automobil der Zukunft, zu 100 Prozent elektrisch betrieben. Verbrennungsmotor? Gibt’s nicht. Und braucht’s nicht. Neu und ungewohnt ist neben dem Antrieb auch das Fahrerlebnis: „Eine Beschleunigung wie am Gummiband, ohne jedes Ruckeln – und sehr sportlich“, berichtet der Ingenieur. „Der Fahrbetrieb ist fast geräuschlos – und wenn man vom Gas geht, bremst der Motor automatisch ab, man braucht im Stadtverkehr fast kaum das Bremspedal.“

Sein Fazit: „spektakulär unspektakulär!“ Dass er sich für Elektroautos interessiert, hat auch mit seinem Job bei der IAV zu tun, der Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr. Das Unternehmen entwickelt weltweit neue Technologien für Fahrzeughersteller. „Wir halten überall Ausschau nach Neuerungen, die für die Fahrzeugentwicklung relevant sein könnten“, erläutert der Ingenieur.

Wenn Kümmell mit seinen Kollegen auf neue Motoren oder Generatoren stößt, wird das Team hellhörig: Was etwa anders als herkömmliche Modelle aufgebaut ist oder mit neuen Brennverfahren arbeitet, schauen sie sich genauer an. Das Thema Elektromobilität erfreut sich derzeit bei Kümmell großer Aufmerksamkeit. Neben den reinen Elektrofahrzeugen gehören dazu auch Hybridfahrzeuge, bei denen ein Verbrennungsmotor mit E-Antrieb kombiniert wird. Serielle Hybride etwa mit „Range Extender“: Sind die Akkus leer, erzeugt ein zusätzliches Aggregat Strom, der wiederum den Elektroantrieb am Laufen hält. So wird, wie der Name im Englischen verrät, die Reichweite eines Elektrofahrzeugs erweitert. In Frage kommen klassische Verbrennungsmotoren, aber aufgrund der anderen Anforderungen auch ganz neue Konzepte.

Es gibt zwar jenseits des Elektromotors weitere Alternativen zu Diesel und Benzin, aber die haben allesamt einen Haken: Herkömmliche Verbrennungsmotoren lassen sich ohne allzu aufwändige Eingriffe auch mit Rapsöl oder Biogas betreiben. Dafür wird jedoch sehr viel Fläche benötigt. Wollte man den bisherigen Dieselverbrauch in Deutschland mit Biodiesel abdecken, müsste auf drei Viertel der Fläche unserer Republik Raps angebaut werden. Deshalb gilt Biodiesel als Ergänzung, nicht aber als Alternative zu herkömmlichen Kraftstoffen.

Technisch ausgereift ist auch der Antrieb mit Erdgas. Eine Reihe bekannter Fahrzeugmodelle wird schon seit Jahren in Serie produziert. Ihr Vorteil: Im Gegensatz zu Dieselfahrzeugen, die ohne moderne Filtertechnik besonders viel Feinstaub (Dieselruß) ausstoßen, sind Erdgasfahrzeuge in dieser Hinsicht unproblematisch. Doch Erdgas ist wie Öl ein – nur begrenzt vorhandener – fossiler Brennstoff. Die Technologie gilt als Übergangslösung, bis sich jenseits des Verbrennungsmotors neue Möglichkeiten auftun.

Die Perspektive geht auf lange Sicht also über Hybridfahrzeuge zu rein elektrisch betriebenen Autos. „Technisch ist das heute bereits machbar“, erläutert Kümmell. „Aber neben der Kostenfrage, die für große Serienproduktionen entscheidend ist, stellen sich im technischen Bereich noch diverse Herausforderungen im Detail.“ Ein Nachteil ist das enorme Gewicht der Akkus: 200 bis 400 Kilo bringen sie bislang auf die Waage. Hinzu kommt deren Temperatursensibilität, Kälte beeinträchtigt ihre Leistungsfähigkeit. Und die begrenzte Speicherkapazität ist ohnehin noch ein Thema. „Rein elektrisch betriebene Fahrzeuge haben bislang eine Reichweite von 100 bis 200 Kilometern“, so Kümmell. „Für den alltäglichen Bedarf reicht das ja schon mal, aber ob es jemals Elektroautos geben wird, die auch lange Strecken bewältigen, ist derzeit noch völlig offen.“ Selbst wenn der E-Pkw der Zukunft nicht zum heute gewohnten Allrounder taugen sollte: Gehen solche Fahrzeuge in Serie – und werden mit Strom aus Solaranlagen oder Windkraft betrieben –, kann der motorisierte Individualverkehr, abgesehen von Fernreisen, komplett CO2-neutral realisiert werden.

Die Technologie hat noch einen weiteren Vorteil: Sollten erneuerbare Energien künftig stärker ausgebaut sein, bedarf es im Falle von Überkapazitäten großer Speichermöglichkeiten. Dafür böten sich E-Autos förmlich an. Die meisten Fahrzeuge sind den größten Teil des Tages „Steh“zeuge. Da bietet es sich an, deren Akkus zu nutzen, um Wind- oder Sonnenenergie zu speichern, die aktuell nicht gebraucht wird. „Auch dieser Aspekt interessiert uns bei der Entwicklung neuer Fahrzeugtechnologien“, berichtet Kümmell. „Deshalb arbeiten wir unter anderem an kabelloser Stromübertragung – per Induktion.“ Das heißt: Auf Parkplätzen für E-Fahrzeuge würden diese automatisch ans Stromnetz angeschlossen. Ohne dass der Fahrer sich kümmern muss, ließe sich sein Wagen aufladen oder als Zwischenspeicher für überschüssigen Solar- wie Windstrom nutzen. Das Auto der Zukunft könnte also ein richtiger Öko werden.