„Man sollte seinen Magen nicht anderen anvertrauen“

LANDWIRTSCHAFT Mit subventionierten Milchpulver-Exporten treibt die Europäische Union afrikanische Landwirte in den Ruin, kritisiert die Bäuerin Korotoumou Gariko aus Burkina Faso. Sie fordert deshalb einen Ausfuhr-Stopp und das Ende der Freihandelsabkommen

■ 54, hat vor einigen Jahren eine kleine Molkerei gegründet. Heute ist sie Vorsitzende der Nationalen Vereinigung der Kleinstmolkereien in Burkina Faso.

taz: Frau Gariko, Sie haben 18 Milchkühe und eine kleine Molkerei in Burkina Faso. Warum interessiert Sie die aktuelle Debatte über die Agrarsubventionen in der EU?

Korotoumou Gariko: Die EU subventioniert ihre Milch so stark, dass sie Milchpulver billiger als wir anbieten kann. Solche Dumpingangebote zerstören unsere Milchbranche und damit auch mein kleines Unternehmen. Und in Burkina Faso leben zehn Prozent der Bevölkerung von der Milcherzeugung.

Wie muss die EU ihr Subventionssystem ändern?

Sie sollte die Subventionen für Exporte abschaffen. Ich habe nichts dagegen, wenn sie zum Beispiel den Bauern in den Bergen hilft. Die produzieren ja unter sehr schwierigen Bedingungen. Aber subventionierte Produkte dürfen nicht exportiert werden.

Aber in Deutschland lässt sich doch wegen des Klimas und der fruchtbaren Böden besonders leicht Milch produzieren. Warum diese Standortvorteile nicht auch für Afrika nutzen?

Wir könnten selbst so viel Milch erzeugen, wie wir verbrauchen. Die Billigimporte aus der EU tragen aber dazu bei, dass wir die Branche nicht genug entwickeln können. So verlieren die Menschen in Afrika ihre Souveränität. Man sollte seinen Magen nicht anderen Leuten anvertrauen. Was passiert, wenn die EU irgendwann einmal nicht mehr genug Milch produziert? Sollen wir dann auf Milch verzichten? Jedes Land sollte seine Nahrungsmittel selbst erzeugen.

Die Europäische Union will mit Ihrem und anderen afrikanischen Ländern ein Freihandelsabkommen abschließen. Könnte das nicht auch eine Chance für die Bauern in Burkina Faso sein?

Afrika ist noch nicht auf dem wirtschaftlichen Niveau, um mit der EU auf Augenhöhe Handel treiben zu können. Wir haben nichts, was wir zu guten Preisen nach Europa verkaufen könnten. Eine Kuh in der EU gibt 35 Liter Milch pro Tag, bei uns sind es nur 3 bis 5 Liter. Wenn wir unsere Importzölle streichen, ist unsere Wirtschaft ohne Schutz. Und der Staat würde eine wichtige Einnahmequelle verlieren. Ich fordere deshalb die Politiker der EU auf, diese Freihandelsabkommen zu stoppen.

Was würde passieren, wenn die EU Ihr Land wieder wie vor einigen Jahren mit subventioniertem Milchpulver überschwemmt?

2007 sind die Weltmarktpreise für Milch vorübergehend gestiegen, so dass auch die Milchpulverimporte aus der EU in Burkina Faso teurer wurden. Zum ersten Mal konnten unsere Produzenten den Markt selber beliefern, weil wir nicht von der EU unterboten wurden. Aber jetzt fallen die Preise wieder, so dass die EU uns bald mit ihren Dumpingpreisen an die Wand drücken könnte. Das wäre wie ein Aufruf an unsere Milchbauern zum kollektivem Selbstmord. Wovon sollten wir dann leben? In der EU gibt es Subventionen und ein Sozialsystem. In Afrika gibt es nichts dergleichen.INTERVIEW: JOST MAURIN