Dialog für Religionsfrieden startet

Bundesweite Clearingstelle soll Konflikte zwischen den Kulturen lösen. Dachverband der Muslime sieht Distanzierung deutscher Muslimverbände vom Terrorismus nicht ausreichend gewürdigt. Karikaturenstreit habe Annäherung beschleunigt

AUS FRANKFURT HEIDE PLATEN

Das erste bundesweite Clearingprojekt „Zusammenleben mit Muslimen“ soll Konflikte zwischen Muslimen und Nichtmuslimen im Alltag und auf gesamtgesellschaftlicher Ebene aufspüren. Der Vorsitzende des Interkulturellen Rates, Jürgen Micksch, stellte die Vermittlungsstelle gestern in Frankfurt vor. Gerade negative Informationen, so Micksch, hielten sich unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt auf beiden Seiten immer wieder hartnäckig.

Die in Darmstadt angesiedelte Stelle soll Probleme klären helfen oder öffentlich zur Diskussion stellen. Sie wird mit 80.000 Euro jährlich vom Bundesinnenministerium und der Groeben-Stiftung finanziert.

Projektleiter Torsten Jäger stellte klar, dass die Clearingstelle nur eine Vermittlerfunktion zwischen den Weltanschauungen haben könne. Er werde versuchen, „die Knackpunkte“ im Zusammenleben aufzuspüren, wenn möglich, Lösungen zu suchen, die Arbeit zu koordinieren und zu dokumentieren. Dabei sei man auf die Informationen Betroffener angewiesen. Er betonte auch die gute Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt und den Landesämtern für Verfassungsschutz. In einem ersten Flyer bittet die Clearingstelle, Beobachtungen in Schulen und Krankenhäusern zu melden. Dies wolle er aber keinesfalls als Aufforderung zum „Denunziantentum“ missverstanden wissen. Als Konfliktfelder benannte Jäger vorerst das Kopftuchverbot, Proteste gegen Moscheen und Diskriminierungen im Alltag.

Er betonte, dass das Zusammenleben in Deutschland relativ gut funktioniere. Dies sei der „relativ kontinuierlichen deutschen Außenpolitik“, dem neuen Dialog der muslimischen Organisationen mit den staatlichen Einrichtungen und „der festen Einbindung der Muslime in die Gesellschaft“ zu verdanken. Bekir Alboga von der Türkisch Islamischen Union (DITIB), die als Dachverband für den Islam-Rat, den Zentralrat der Muslime in Deutschland und den Verband der Islamischen Kulturzentren fungiert, bedauerte, dass die bundesdeutsche Öffentlichkeit bisher nicht wahrgenommen habe, dass sich alle relevanten islamischen Organisationen ausdrücklich von Terror und Gewalt distanziert hätten. Es sei wichtig, klarzustellen: „Wir sind ein Teil von Deutschland.“ Auch hier erfahre der Islam durch die gesellschaftlichen Bedingungen, wie in anderen Ländern der Welt auch, seine eigene Prägung. Anpassung für Muslime in Europa bedeute, dass sie Demokratie, Grundgesetz, Gleichberechtigung und Meinungsfreiheit anerkannten. In Zukunft wolle man sich weiterhin bemühen, deutlich zu machen, dass es auf der Welt zwar „nur einen Islam, aber verschiedene Praxen“ gebe. Das Problembewusstsein der Muslime in Deutschland habe sich seit dem Karikaturenstreit vergrößert, zu einer schnellen Annäherung der Verbände und zu mehr Dialogfähigkeit geführt. Auch Micksch lobte, dass sich in den letzten Monaten in „großartiger Geschwindigkeit“ eine Infrastruktur der muslimischen Organisationen entwickelt habe.