Glatzen überraschten Polizei

Beamte sind nicht blind für rechte Gewalt, loben sogar Anti-rechts-Initiativen. Auf eine Schlägerei zwischen Festbesuchern und Skins in Thüringen waren sie aber nicht gefasst

BERLIN taz ■ Nach der Skinhead-Jagd im nordthüringischen Artern nehmen Anti-rechts-Initiativen die Polizei in Schutz. „Es gibt zwar manchmal das Problem, dass Beamte nicht rechtzeitig vor Ort sind, aber das lässt sich nicht verallgemeinern“, sagt Uwe Schubert, der für die Initiative Mobit kommunale Einrichtungen in Thüringen in Sachen Rechtsextremismus berät. Ähnlich äußerte sich auch Uwe Birk von der Thüringer Opferhilfe THO.

Der Polizei war von Artener Bürgern und dem Bürgermeister vorgeworfen worden, gegen gewalttätige Skinheads auf einem Stadtfest am Wochenende nicht entschieden genug vorgegangen zu sein. Als die aus Sachsen und Sachsen-Anhalt angereisten Rechtsextremen einen 21-Jährigen angriffen, wehrten sich Festbesucher und jagten die Skins selbst aus der Stadt.

Das Thüringer Innenministerium wollte den Vorfall gestern nicht kommentieren: „Die Ermittlungen der Polizei sind noch nicht abgeschlossen“, sagte eine Sprecherin von Landesinnenminister Karl Heinz Gasser (CDU) der taz. „Vorher können wir dazu keine sinnvollen Bewertungen abgeben.“ Klar sei aber, dass der Zwiebelmarkt in Artern bisher nicht für Massenschlägereien bekannt gewesen sei. Hinweise auf die Präsenz gewaltbereiter Rechtsextremisten habe es nicht gegeben, sagte die Sprecherin. Daher habe es auch keinen Anlass gegeben, mehr Einsatzkräfte zu dem Stadtfest zu schicken.

Ähnlich äußerte sich Hans-Jürgen Stahn von der Gewerkschaft der Polizei in Thüringen. Beim Thema Rechtsextremismus hätten die Sicherheitskräfte keinen Nachholbedarf, sagte Stahn. Zwar sei die Polizei personell „am Limit“ – aber es sei den Beamten durchaus ein Anliegen, auf rechtsextreme Vorfälle rechtzeitig und zuverlässig zu reagieren. Stahn plädierte dafür, die Umstände des Polizeieinsatzes „genau zu durchleuchten“. Womöglich müssten die Sicherheitsbehörden auf derartige Volksfeste künftig ein größeres Augenmerk richten.

Thüringen ist das einzige Land, das kein Geld für Initiativen gegen Rechtsextremismus ausgibt. „Fehlende Sensibilität“ werfen THO und Mobit daher der CDU-geführten Landesregierung vor. Diese nachlässige Haltung sei aber bei der Polizei kaum anzutreffen, sagt Mobit-Mann Schubert. Vorwürfen gegen die Polizei tritt auch Dominique John entgegen, der die Arbeit der Anti-rechts-Gruppen in den fünf neuen Bundesländern koordiniert: „Die Polizei hat Probleme, in Ostdeutschland präsent zu sein, weil sie oft unterbesetzt ist“, sagt John. „Aber die Beamten sind für rechte Straftaten zumeist sensibilisiert. Das ist nicht unser Hauptproblem bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus.“ Zwar erhielten die Initiativen in letzter Zeit häufiger Berichte über unsachgemäßes Verhalten der Polizei bei rechten Übergriffen. „Bisher sind das aber Einzelfälle“, sagt John.

Die Mitarbeiter der Thüringer Initiativen und John begrüßten die Tatsache, dass sich Bürger einer Stadt gegen Rechtsextreme zur Wehr setzten. Sie verurteilten allerdings die gewalttätige Form: Eine Hetzjagd sei der falsche Weg, um gegen Gewalt vorzugehen. AGX, DAS