DIE DREI FRAGEZEICHEN
: „Kein Bier auf Befehl“

MULTIKULTI In der Debatte um Integration bisher nicht beleuchtet: Wie machen sich da eigentlich die Deutschen? Beispielsweise in der Schweiz?

taz: Frau Morais, haben Deutsche in der Schweiz Integrationsprobleme?

Julia Morais: Die Deutschen verzeichnen die geringste Kriminalitätsrate und eine hohe Gymnasialquote bei ihren Kindern. Die teilweise in den Medien inszenierte Deutschenproblematik ist eine Mischung aus Konkurrenzängsten und Abneigung gegenüber der Großspurigkeit, die man den Deutschen nachsagt. Die rechtsnationale Schweizer Volkspartei hat mit diesen Vorurteilen letztes Jahr gezielt Ressentiments bewirtschaftet. Zum Beispiel der Nationalrat Christoph Mörgeli, der an der Universität Zürich einen deutschen Chef hat, obwohl er selbst den Posten haben wollte. Dass die Deutschen den Schweizern die Arbeitsplätze wegnehmen, halte ich für eine populistische Behauptung.

Wie integriere ich mich als Deutscher gut in der Schweiz?

Gepflegte Kommunikation wird sehr geschätzt. Niemals dürfen Sie ein Bier als Befehl bestellen im Stil von „Ich krieg ein Bier“, sondern als höfliche Bitte: „Darf ich bitte ein Bier haben?“ oder „Ich hätte gerne eine Stange“, das sind 0,3 Liter. Da Sie Deutsch sprechen, wären Sie sprachlich gut integriert, wobei eben kulturelle Feinheiten beachtet werden müssen. Deutsche gelten oft als laut und polternd. Im Gespräch schalten die Schweizer oft selbst auf Hochdeutsch um, finden aber, dass es verglichen mit ihrem Dialekt sehr arrogant klingt.

Sie sind in Deutschland geboren. Gibt es etwas, das Ihnen in Basel und Zürich nach wie vor schwerfällt?

Mir fällt immer noch die fehlende Kontaktfreudigkeit auf. Beispielsweise laufen die Schweizer lieber durch den ganzen Zug, um ein Abteil für sich zu haben, als bei einem Fremden zu sitzen. Ich finde das schade. Das Leben ist kurz, da kann man sich auch austauschen. INTERVIEW: TIQ

■ Julia Morais ist Integrationsbeauftragte im Kanton Zürich.