Suche nach endgültiger Zwischenlösung

Afrika-Gipfel berät über Krise in der Elfenbeinküste: Wer regiert das von Bürgerkrieg geteilte Land bis zu freien Wahlen?

BERLIN taz ■ Die erste heikle Situation gab es schon vor Gipfelbeginn. Die beiden rivalisierenden Führer der Elfenbeinküste, Staatschef Laurent Gbagbo und Rebellenchef Guillaume Soro, waren für den gestrigen Elfenbeinküste-Gipfel der „Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft“ (Ecowas) in Nigerias Hauptstadt Abuja im gleichen Hotel untergebracht. Als Gbagbos Leibgarde protestierte, empfahl ihr Soros Leibgarde, zu gehen. Umgehend verließen die Gbagbo-Wächter das Hotel, mitten in der Nacht, wie die Webseite der Rebellen gestern triumphierend meldete. Gbagbo selbst zog es vor, erst gestern anzureisen.

Immerhin nahm der umstrittene Präsident der Elfenbeinküste an dem Ecowas-Gipfel teil, wo über seine Zukunft entschieden werden sollte. Die Empfehlungen der Ecowas sollen bis Monatsende von der Afrikanischen Union (AU) und der UNO abgenickt werden. Dann läuft Gbagbos Amtszeit aus.

Laurent Gbagbo hatte 2000 freie Wahlen gewonnen – allerdings unter Ausschluss wichtiger anderer ziviler Politiker. Meuternde Militärs übernahmen 2002 die Kontrolle über die Nordhälfte des Landes, die Elfenbeinküste wurde geteilt. Im Oktober 2005 lief Gbagbos reguläre fünfjährige Amtszeit ab; die UNO beschloss eine Verlängerung um ein Jahr und setzte dem Präsidenten einen parteilosen Premierminister an die Seite, Charles Konan Banny, der freie Wahlen bis Ende Oktober 2006 vorbereiten sollte. Doch er hat wenig ausrichten können, und die Wahlen sind heute genauso weit entfernt wie vor einem Jahr.

Aus Gbagbos Sicht ist die Lösung ganz einfach: Er bleibt einfach im Amt und organisiert die Wahlen alleine. Die Rebellen wiederum verlangen Gbagbos Entmachtung zugunsten einer neuen Übergangsregierung aus einem Präsidenten und zwei Vizepräsidenten aus den verfeindeten Lagern, die dann zu den Wahlen nicht antreten dürfen. Als Vorbild nennen sie den erfolgreichen Friedensprozess im benachbarten Liberia. Weil dafür die geltende Verfassung der Elfenbeinküste suspendiert werden müsste, blasen Gbagbos bewaffnete Anhänger jetzt zum Kampf zur Verteidigung der Verfassung.

Es erschien gestern unwahrscheinlich, dass der eintägige Ecowas-Gipfel sich den Forderungen Gbagbos oder der Rebellen anschließt. Es kursierte eine Forderung des Gastgebers Nigeria, Sanktionen gegen die Elfenbeinküste zu verhängen, sollten die Wahlen nicht mehr dieses Jahr stattfinden. Doch im September waren Versuche im UN-Sicherheitsrat, personenbezogene UN-Sanktionen gegen Gbagbos Entourage zu verhängen, am Einspruch des Ecowas-Mitglieds Ghana gescheitert. Drohungen aus Gbagbos Partei FPI (Ivorische Volksfront) gegen die noch in der Elfenbeinküste lebenden Bürger anderer Ecowas-Staaten – über eine halbe Million wurden zu Kriegsbeginn bereits vertrieben – dürften den Ärger westafrikanischer Länder über Gbagbo verstärken und zugleich ihre Bereitschaft zum entschlossenen Handeln vermindern. Außerdem nimmt an dem Gipfel Südafrikas Präsident Thabo Mbeki als designierter Vermittler der Afrikanischen Union (AU) teil. Er hat erhebliches Gewicht, gilt aber als Verbündeter Gbagbos.

Am wahrscheinlichsten erschien gestern eine einfache Verlängerung der bestehenden Strukturen, wobei jedoch Premierminister Banny ausdrücklich mehr Macht bekommen würde als der Präsident. Wie das durchgesetzt werden sollte, blieb allerdings offen. Zeitungen im benachbarten Burkina Faso, das als den Rebellen nahestehend gilt, äußerten sich im Vorfeld skeptisch. „Ein Gipfel für nichts“, titelte L’Observateur, während Le Pays meinte: „Alle Prämissen eines neuen Bürgerkrieges sind da.“ DOMINIC JOHNSON