Von Zuschauern und Sender verlassen

FERNSEHEN Das einstige ZDF-Flaggschiff „Wetten, dass . . ?“ wird zum Jahresende eingestellt. Nicht nur die sinkende Quote machte Moderator Markus Lanz zu schaffen. Der Sender setzt auf die Produktion preiswerterer Krimis

1981, vor einer Ewigkeit, ging Frank Elstner mit „Wetten, dass . . ?“ auf Sendung. Was in diesem Jahr sonst noch so passierte:

■ Thomas Gottschalk ist Radio-Moderator bei Bayern3. Markus Lanz ist Schüler in Südtirol.

■ Helmut Schmidt ist Bundeskanzler, in der DDR regiert Erich Honecker. Erstmals seit elf Jahren treffen sich die deutschen Regierungschefs in diesem Jahr.

■ Ronald Reagan wird als US-Präsident vereidigt, in der Sowjetunion regiert Leonid Breschnew.

■ IBM präsentiert seinen ersten Personal Computer.

■ Volkswagen baut den Golf I.

■ Der Palast in London gibt die Verlobung von Charles und Diana bekannt. (dpa)

VON JÜRN KRUSE

BERLIN taz | Es ist laut, das Publikum klatscht, goldenes Konfetti regnet vom Dach der Offenburger Baden-Arena. So sieht er eigentlich immer aus, der Abschluss eines „Wetten, dass . . ?“-Abends. Doch dann fällt ein Satz, der Moderator Markus Lanz Mühe bereitet. Mehrfach muss es tief Luft holen. Er presst ihn raus: „Wir sehen uns wieder am 4. Oktober mit den letzten drei Ausgaben von ‚Wetten, dass . . ?‘“, sagt Lanz. Damit es auch jeder kapiert, was er da gerade verkündet, hält er noch drei Finger in die Kamera, und fügt an: „Das war’s“ – nicht nur mit dieser „Wetten, dass . . ?“-Episode, sondern am 13. Dezember auch mit der letzten großen Samstagabendshow des deutschen Fernsehens.

So richtig überraschen mag das Ende nicht mehr. Das Publikum hatte sich schon längst von der Sendung getrennt: 13,8 Millionen schauten noch zu, als Lanz im Oktober 2012 sein Debüt gab. Danach schaltete einer nach dem anderen ab. Am 22. Februar dieses Jahres erreichte „Wetten, dass . . ?“ mit nur noch 5,85 Millionen Zuschauern einen historischen Tiefpunkt. Drunter dürfte es nun nicht mehr gehen. Am Samstag waren es schon wieder ein paar Zuschauer mehr – und die Abschiedstour werden viele nicht verpassen wollen.

Doch die Abkehr des Publikums war zuletzt nur noch das zweitgrößte Problem der Sendung. Viel existenzbedrohender war, dass vor zwei Wochen der eigene Sender auf Distanz ging: Auf die Frage, wie lange es „Wetten, dass . . ?“ noch geben würde, antwortete ZDF-Intendant Thomas Bellut gegenüber dem Handelsblatt: „Ich weiß es wirklich nicht.“ Man müsse sehen, „wie stark die Marke noch ist“. Damit war das 33 Jahre alte Format zum Abschuss freigegeben.

Für Bellut ist es eine Kosten-Ertrag-Rechnung: Die Show koste „auch mal 2,5 Millionen Euro“, sagte er. Also eine Million mehr als ein typischer Samstagabendkrimi, der mittlerweile jedoch deutlich mehr Zuschauer anlockt als „Wetten, dass . . ?“. Die ersten Ermittlungen von Anna Loos in der Rolle der „Helen Dorn“ hatten Anfang März 8 Millionen Menschen gesehen. Und „Helen Dorn“ ist nur eine von vier neuen Krimireihen, die der Mainzer Sender am Samstagabend ins Rennen schickt – neben den alten Bekannten wie „Wilsberg“ oder „Ein starkes Team“. Das Ende von „Wetten, dass . . ?“ ist der Sieg der Krimis über die Show, und die Chance für ZDF-Fernsehspielchef Reinhold Elschot, seinen Traum vom „Tatort“-Konkurrenzabend endlich zu verwirklichen.

„Wir sehen uns wieder am 4. Oktober mit den letzten drei Ausgaben von ‚Wetten, dass . . ?‘“

MODERATOR MARKUS LANZ

Die Zeit der großen Samstagabendunterhaltung scheint einfach abgelaufen zu sein. Das Publikum hat sich fragmentiert: viele Programme, viele Endgeräte, viele unterschiedliche Ansprüche ans Fernsehen. „Das trifft alle Sender und Unterhaltungsprogramme“, ließ ZDF-Unterhaltungschef Norbert Himmler mitteilen. „Besonders hart“ aber treffe es „Wetten, dass . . ?“. Denn die Show stürzt am tiefsten. Dennoch sei es nicht leicht gefallen, „einen Klassiker wie ‚Wetten, dass . . ?‘ vom Schirm zu nehmen“, sagte Norbert Himmler, doch auch er musste eingestehen, dass „der Aufwand einer so großen Show nicht mehr im Verhältnis zur Zuschauerresonanz steht“.

Die Möglichkeiten der Reanimation des Formats will sich Himmler allerdings nicht nehmen lassen: „Das Konzept, das Frank Elstner Anfang der achtziger Jahre für das ZDF erfunden hat, bleibt einzigartig. Deshalb schließe ich nicht aus, dass es irgendwann noch einmal auflebt.“ Das Zweite will alle Markenrechte an „Wetten, dass . . ?“ behalten. Sicher ist sicher. Vielleicht ist der Zuschauer in ein paar Jahren ja der vielen Krimis überdrüssig.