Schlüsselaufgabe Beschaffung

RESSOURCEN Für die Bundesregierung sind Rohstoffe in erster Linie eine wichtige Grundlage für die Industrie. Menschenrechte oder Recycling kommen in ihrer Strategie kaum vor

„Es ist legitim, dass uns Länder, denen wir helfen, bei den Rohstoffen entgegenkommen“

Wirtschaftsminister Brüderle

VON HEIKE HOLDINGHAUSEN

Lange Jahre waren die teuren Arbeitskosten das Hauptthema der Wirtschaftslobbyisten. Inzwischen haben sie der Politik ein neues Klagelied getextet: das von der schwierigen Versorgung mit Rohstoffen. „Rohstoffe sind ein geopolitisches Thema geworden“, sagte Hans-Peter Keitel, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), gestern auf dem 3. Rohstoffkongress seines Verbandes in Berlin. Als ein Beispiel nannte er den aktuellen Streit mit China um Ausfuhrbeschränkungen bei den sogenannten seltenen Erden, die in zahlreichen Elektronikprodukten oder Batterien eingesetzt werden. „Die Lage hat sich verschlechtert, die Existenz von Unternehmen ist gefährdet“, erklärte Keitel.

In der Bundesregierung fand der Gesang Gehör. „Rohstoffpolitik ist eine Schlüsselaufgabe“, sagte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Darum sei es wichtig, dass die drei liberal geführten Ministerien für Wirtschaft, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie für Äußeres an einem Strang zögen und eine Politik „aus einem Guss machen“. Jüngstes Ergebnis ist Brüderles Rohstoffstrategie, die das Kabinett vergangene Woche verabschiedet hat. Sie soll einen „Weg zu einer nachhaltigen Rohstoffsicherung in Deutschland“ weisen und befasst sich mit nicht-energetischen, mineralischen Materialien wie Eisenerz oder Kupfer, aber auch mit den schon erwähnten seltenen Erden.

Die Strategie sieht vor, die Rohstoffbeschaffung der Industrie politisch zu fördern und zu flankieren. Dabei nimmt sie zwar auch die in Deutschland vorhandenen Ressourcen ins Visier. Deren Nutzung müsse weiterhin möglich sein und dabei beachtet werden, dass ökonomische, ökologische und soziale Zielen gleichrangig seien, sagte Brüderle beim BDI. Auch die wichtigste Quelle heimischer Ressourcen, das Recycling, müsse intensiver genutzt werden.

Vor allem aber befasst sich die Strategie mit Ressourcen, die deutsche Unternehmen auf dem Weltmarkt einkaufen müssen. Zum Beispiel sollen Direktinvestitionen in entsprechende Projekte durch Garantien abgesichert werden. Die neu gegründete Deutsche Rohstoffagentur in Hannover ist angewiesen, Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für geologische Erkundungen durchzuführen. Außerdem sieht die Strategie vor, dass die Bundesrepublik bilaterale Rohstoffpartnerschaften mit „rohstoffreichen Partnerländern“ aufbaut. „Es ist legitim, dass uns Länder, denen wir helfen, bei den Rohstoffen entgegenkommen“, beschrieb Brüderle die Idee. Weil das „Gespenst des Protektionismus“ wieder erkennbar werde, müsse vor allem im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO dafür gefochten werden, dass Exportbeschränkungen wie zum Beispiel Ausfuhrzölle im Bereich der Rohstoffe beseitigt würden.

BDI-Chef Keitel lobte Brüderle: „Die Politik hat ihre Hausaufgaben gemacht“, sagte er.

Entwicklungs- und Umweltorganisationen hingegen zeigen sich besorgt. Die Strategie sei „in sich kohärent“, so die Rohstoffexpertin Heidi Feldt vom Global Policy Forum Europe. „Das Thema Rohstoffpolitik wird ausschließlich als Interessenvertretung der Wirtschaft begriffen.“ Alles werde durch die nationale Brille betrachtet, Hinweise zu internationalen Regelungen oder Institutionen blieben dagegen unerwähnt. Menschenrechte suche man in der Rohstoffstrategie vergeblich, sagt Elisabeth Strohscheidt von der katholischen Hilfsorganisation Misereor. Dabei sei seit vielen Jahren zu beobachten, dass der Abbau von Rohstoffen Konflikte verschärfe und damit Menschenrechte verletze, etwa im Kongo oder im Tschad.

Kritik kommt aber auch aus dem wirtschaftsnahen Verband der deutschen Ingenieure (VDI). Johannes Lackmann vom beim VDI angesiedelten Zentrum Ressourcen Effizienz und Klimaschutz bemängelt die einseitige Ausrichtung der schwarz-gelben Ressourcenpolitik auf die Beschaffung und den Wettbewerb mit China und anderen Ländern. „Es ist ja legitim, aber ob es Erfolg haben wird, ist offen“, sagt Lackmann. Ein rationales Verhalten für Deutschland wäre vielmehr, „auf Effizienz, Recycling und Substitution zu achten“.

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