Der Norden Afghanistans bleibt gefährlich

Versteckte Waffenlager werden hier vermutet. Immer wieder sterben ausländische Zivilisten

Baghlan blieb bisher von Aktivitäten der Taliban unberührt. Es ist trotzdem nicht sicher

BERLIN taz ■ Der Tod von Karen Fischer und Christian Struwe zeigt: Afghanistan ist auch für Journalisten nach wie vor ein gefährliches Pflaster, auch außerhalb der bekannten Kampfgebiete. Baghlan blieb bisher zwar von Aktivitäten der Taliban unberührt, die eine Verwicklung in den Vorfall abstritten, aber sicher ist es dort auch nicht überall.

Im Vorjahr wurden dort mindestens vier afghanische Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisation (NRO) BRAC aus Bangladesch ermordet, darunter drei Frauen, und eine Mädchenschule niedergebrannt. Das Sicherheitsbüro für in Afghanistan arbeitende NRO sprach vor einem Monat von einer gewissen Beruhigung der Lage und einem „niedrigen Level von Aktivitäten regierungsfeindlicher Elemente“ in Baghlan. Aber im Juni wurde in der Provinz erneut ein afghanischer BRAC-Ingenieur ermordet, im Juli in einem abgelegenen Gebiet ein kanadischer Handwerker. An der Straße Kabul–Kundus im Gebiet der Stadt Neu-Baghlan, ein heruntergekommenes Industriezentrum, legten Unbekannte in den vergangenen Monaten wiederholt Sprengfallen. Vorige Woche wurde bei einer Hausdurchsuchung wieder eine selbst gebaute Bombe gefunden.

Zu einem weiteren Bombenanschlag, der am 1. Juli gegen ein BRAC-Büro verübt wurde, aber ohne Schaden abging, bekannte sich zwar eine „Geheimarmee der Taliban“, aber man geht davon aus, dass es sich dabei um Kämpfer der Islamischen Partei Afghanistans (IPA) handelt. Diese Gruppierung, die die Regierung Karsai und ihre ausländischen Verbündeten bekämpft, ist in Baghlan traditionell stark vertreten und hat sich den Namen der Taliban schon mehrmals „ausgeborgt“. Anfang Oktober ist der IPA-Kommandeur der Provinz festgenommen worden.

Aber auch ein weiterer Hintergrund für den Mord ist denkbar. In Baghlan gibt es wahrscheinlich noch nicht entdeckte Waffenlager von Fraktionen, die offiziell mit Kabul zusammenarbeiten, deren örtliche Angehörige im Grunde aber Banditen sind. Im Mai 2005 war nicht weit von Tala wa Barfak solch ein Depot durch Unachtsamkeit in die Luft geflogen, hatte 28 Menschen getötet und ein halbes Dorf zerstört. Noch im Juni hatte Präsident Hamid Karsai die Bevölkerung dazu aufgerufen, das Programm zur Entwaffnung illegaler Milizen zu unterstützen. Vielleicht sind die beiden Deutschen unbewusst in die Nähe eines solchen Depots oder anderer illegaler Aktivitäten gekommen und wurden als unerwünschte Augenzeugen betrachtet. Offenbar denkt auch Mohammad Ishaq Kaukab ähnlich, der in Baghlan das Kultur- und Informationsministerium vertritt. Er sagte: „Wir wissen nicht, ob die beiden deutschen Bürger Touristen waren oder Spione.“

Zuletzt war ein deutscher Journalist 2001 in Afghanistan ums Leben gekommen: der damals für den Stern tätige Volker Handloik, der einst auch für die taz schrieb. Bei Kunduz wurde er mit zwei französischen Kollegen auf einem Panzer sitzend bei einer Taliban-Attacke erschossen. THOMAS RUTTIG