Kampf um den Bahnhof – resignierte Polizei vor Politik?

S21 Der Wasserwerfereinsatz im Schlossgarten war vielleicht doch politisch motiviert, sagt ein Bericht

STUTTGART taz | Hat die Spitzenpolitik in Baden-Württemberg den „Schlossgarteneinsatz“ mit Wasserwerfern und über 160 Verletzten diktiert? Es gibt auch in den Akten der Landesministerien weitere Hinweise auf eine Einflussnahme, heißt es nun in einem Regierungsbericht, den der zweite Untersuchungsausschuss zum Schlossgarteneinsatz gestern erhalten hat. Der Bericht liegt der taz vor.

Ein erster Untersuchungsausschuss war zum Schluss gekommen, dass der harte Polizeieinsatz im Herbst 2010 gegen Demonstranten, die für den Erhalt des alten Stuttgarter Hauptbahnhofs eintraten, rechtens war. Es habe keine politische Einflussnahme gegeben. Inzwischen ist nicht mehr Schwarz-Gelb, sondern Grün-Rot an der Regierung und hat alte Akten gewälzt.

Das Staatsministerium berichtet von Hinweisen auf politische Einflussnahme. Die Zeugenaussage des damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) vorm ersten Untersuchungsausschuss sei intensiv vorbereitet worden – ein mögliches Indiz, dass „ein bestimmtes Bild über die Rolle der Regierung in Bezug auf den Polizeieinsatz bestärkt werden“ sollte.

Das Innenministerium hingegen sieht keine „unmittelbare politische Einflussnahme“ am 30. September 2010. Doch stellt das Ministerium ein interessantes Gedankenspiel an. Auf einen Polizeieinsatz vor dem „Schwarzen Donnerstag“ habe die Politik wohl Einfluss genommen: den am 18./19. August 2010, als ein Bagger gegen den Rat der Polizei zum Abriss des Nordflügels am Hauptbahnhof transportiert wurde. Es sei vorstellbar, dass die Politik durch die Durchsetzung ihrer Wünsche ermutigt war, am 30. September erneut gegen polizeilichen Rat zu handeln. Gleichzeitig könnte das Polizeipräsidium Stuttgart bemerkt haben, dass es „nicht erfolgsversprechend sei, sich gegen politische Wünsche zu stellen“. Eine Polizei, die vor der Politik resigniert – eine solche Konstellation könnte zum massiven Schlossgarteneinsatz geführt haben.

Bei der Frage, ob Unterlagen vorenthalten wurden, entlastet die Regierung ihre Vorgänger. Lediglich 30 Aktenseiten seien fälschlicherweise nicht geliefert worden, heißt es aus dem Innenministerium. Aus dem Regierungsbericht könnten sich neue Beweisanträge im Untersuchungsausschuss ergeben. LEM