BERLIN - VON KENNERN FÜR KENNERWunderbar authentische Berliner Schmuddeligkeit

Jan Feddersens Gastrokritik: Sollte man zur Currywurst Schampus trinken? Nein. Auch nicht bei Bier’s Imbiss Berlin, Friedrichstraße

Als die Bahnhofsgegend um die Friedrichstraße noch nicht so hochgejazzt aussah, sagen wir: vor 80 Jahren, da empfand man wohl einen Imbissstand wie unter der S-Bahn-Brücke noch nicht als derart deplatziert. In jenen Jahren war diese Gegend halb verrufen, nix von Investorenschick und Mittelschichtshype wie gegenüber im Admiralspalast. Dieser Imbiss jedenfalls hat noch echte, authentische, wahrhaftige Schmuddeligkeit zu bieten. Es riecht nach Fett – und Gebratenem. Hat außerdem bis nachts um fünf Uhr geöffnet.

Und der Test ergibt: Um Viertel vor fünf schmeckt es immer noch so, wie es Nahrungsmittelberaterinnen nicht gern sehen. Den Magen mit Wohlgeschmack ausfüllend, das Brötchen passend lapsig, der Fleischspieß ein Gedicht aus aufgereihten Zwiebelstückchen und Fleischteilen, gesotten und beim Zubereiten überdeckt mit einer roten Sauce, die auf eine maggiartige Flüssigkeit als Grundierung trifft. Die Currywurst ist natürlich kein Imbiss, der Inder freut, denn das Currypulver ist nur ein Synonym für exotisch-heimatliche Geschmacklichkeit, kein Indiz für Sortenreinheit oder Extravaganz der Würzenden. Jedenfalls schmeckt es nach dem, was hierzulande unter Curry eben verstanden und erwartet wird.

Unbedingt empfehlenswert ist dieser Laden, das Beste, was in dieser Gegend noch ist, seit Starbucks, ein australischer Eisladen und sonstige Foodtempel eingezogen sind. Klassenlos die Kundschaft, die je nach Laune Bier, Apfelschorle (das Pestgetränk für alle, denen sonst nix einfällt), Wasser (noch schlimmer, stubenwarm gehalten womöglich) oder Kaffee bestellen können. Alles preisgünstiger als McDonald’s – und mindestens so riskant, was die Ökobilanz anbetrifft.

Schampus bestellt keiner an der Friedrichstraße. Obwohl man bei Bier’s Erstfiliale am Ku’damm zu Juhnkes Zeiten das Schampustrinken zur Currywurst erfunden hat. Als ob das passend wäre – oder hebt! Etwa so angemessen wie Korn der billigsten Sorte im französischen Feinschmeckersternehaus. An der Friedrichstraße, hört man, isst man so, dass noch niemand krank wurde. Ist doch auch was. Die Atmosphäre der gleich guten Behandlung durch die Bedienung – mal weiblich, mal männlich – ist für alle bestimmt ein Anlass, genau hierher zu kommen. Man genießt die Gier und dass sie verschwindet. An der Friedrichstraße gibt es die besten Fleischspieße der Stadt – das soll damit gesagt werden: Gerade weil nichts gesund und ökobilanztechnisch zum guten Gewissen führt – sondern für das Gegenteil stehen könnte. Lecker!

BIER’S IMBISS, Berlin-Friedrichstraße 142 (Mitte), geöffnet: Mo.–Fr., 10–5 Uhr, So., 11–5 Uhr; Dom Perignon auf Anfrage. Curry und Schampus wurde erfunden bei Bier’s am Ku’damm 195, für die Westberliner Schickeria