DEUTSCHPFLICHT SCHON IM KINDERGARTEN? DIETZENBACH IST KEIN VORBILD
: Verordneter Patriotismus

Anfang diesen Jahres machte die Herbert-Hoover-Realschule in Berlin-Wedding von sich reden, als sie auf ihrem Schulhof eine Deutschpflicht erließ. Was folgte, war eine bundesweite Debatte um Sinn und Unsinn dieser Regelung, die in Politik und Medien letztlich aber mehrheitlich begrüßt wurde. Im Sommer wurde der Schule dafür sogar der mit 75.000 Euro dotierte „Deutsche Nationalpreis“ überreicht; die Laudatio hielt Bundestagspräsident Norbert „Leitkultur“ Lammert.

Im allgemeinen Jubel, gerade auf konservativer Seite, ging ein wenig unter, dass es sich dabei um eine freiwillige Selbstverpflichtung zwischen Lehrern, Eltern und Schülervertretern dieser Schule gehandelt hatte. Mancher Leitartikler schien gar zu glauben, damit seien nun schon alle Integrationsprobleme gelöst. Dabei ist mehr als fraglich, ob solch eine solche Vereinbarung für sich allein mehr als eine rein symbolische Wirkung hat.

Nun ist die hessische Kleinstadt Dietzenbach noch einen Schritt weiter gegangen. In den Kindergärten der Kommune südlich von Frankfurt soll künftig nur noch Deutsch gesprochen werden; außerdem sollen dort die deutsche Fahne und ein Foto des Bundespräsidenten aufgehängt werden.

Das mag ein wenig an die Sitten in der ehemaligen DDR oder in der Türkei erinnern, wenn nicht gar an Nordkorea. Doch es ist nur ein Beispiel für die Irrwege, die aus unglücklichen „Patriotismus“- und „Leitkultur“-Debatten erwachsen können. Prinzipiell ist gegen frühkindliche Sprachförderung ja nichts zu sagen: Gerade in Kommunen wie Dietzenbach, in denen viele Zuwanderer leben, ist sie dringend nötig. Aber die Beherrschung der deutschen Sprache lässt sich so wenig verordnen wie die Identifikation mit dem deutschen Staat.

Der Dietzenbacher Vorstoß ist da nicht nur pädagogisch fragwürdig, sondern auch verfassungsrechtlich bedenklich. Bezeichnend ist aber auch das beredte Schweigen, das der hessische Vorstoß bislang in Politik und Medien gefunden hat. Die Initiative der Hoover-Schule wurde mehrheitlich begrüßt. Doch den Auswüchsen dieser Debatte mag sich nun niemand stellen. DANIEL BAX