Inflation hängt von den Erwartungen ab

Der Wirtschaftsnobelpreis 2006 geht an Edmund Phelps. Mit seiner Theorie lassen sich niedrige Löhne gut begründen

BERLIN taz/ap ■ Der Nobelpreis für Wirtschafswissenschaften geht in diesem Jahr an den US-Amerikaner Edmund Phelps. Sein Werk habe dazu beigetragen, „die Zusammenhänge zwischen kurzfristigen und langfristigen Auswirkungen“ der Wirtschaftspolitik zu erhellen, begründete die Schwedische Reichsbank gestern ihre Entscheidung.

Eines der zentralen Themen in Phelps’ Beschreibungen volkswirtschaftlicher Zusammenhänge seit den 60er-Jahren sind die Erwartungen der Marktteilnehmer. So sei zum Beispiel für die Lohnpolitik nicht die tatsächliche Inflationssrate entscheidend, sondern die Frage, ob weiterhin mit einer niedrigen Preissteigerung gerechnet wird oder nicht. Erwarten die Unternehmer und Beschäftigten weiterhin eine geringe Inflation, steigen auch die Löhne weniger stark an, was sich dann wiederum auf die tatsächliche Preissteigerungsrate auswirke.

Komiteechef Jörgen Weibull sagte nach der Bekanntgabe, die Theorien von Phelps seien auch nach 40 Jahren hochaktuell: „Man frage nur die Finanzminister in der EU nach ihren Erwartungen an Inflation und den Arbeitsmarkt.“ Phelps habe die Theorien von Maynard Keynes gleichzeitig weiterentwickelt und zu ihrem Kern zurückgeführt.

Herbert Schui, pensionierterProfessor für Volkswirtschaftslehre und Mitglied der Linksfraktion im Bundestag, nennt Phelps’ Thesen hingegen eine „Rechtfertigungslehre für niedrige Löhne“. Phelps argumentiere mit seinem Modell zum Beispiel gegen den von den Gewerkschaften in Tarifverhandlungen geforderten Inflationsausgleich, da nach seiner Theorie die Löhne nur in dem Maße steigen dürfen, in dem auch die Arbeitsproduktivität wächst, sagte Schui der taz. Damit führe das Komitee seine Politik der vergangenen Jahre fort. Der Wirtschaftsnobelpreis sei „nur dazu da, die neoliberale Schule zu fördern“, sagt Schui.

In der Tat gehört der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften nicht zu den fünf ursprünglichen Nobelpreisen. Er wurde erst 1968 von der Schwedischen Reichsbank aus Anlass ihres 300-jährigen Bestehens gestiftet und 1969 zum ersten Mal verliehen. Ausgezeichnet werden sollen vor allem Wissenschaftler, die dazu beitragen, die wirtschaftspolitischen Aufgaben der Gegenwart zu bewältigen.

Wie bei der Auszeichnung mit Nobelpreisen insgesamt sind auch beim Wirtschaftspreis die Forscher aus den USA einsame Spitze und stellen rund zwei Drittel aller Preisträger. Europäische Ökonomen haben es dagegen schwerer – bisher gingen nur acht Nobelpreise für Wirtschaftswissenschaften in den Alten Kontinent. STEP