In den Krankenhäusern fehlt Gips

Nordkoreas Regime herrscht mit brutaler Unterdrückung. Für Herrscher Kim Jong Il blühen Blumen, seine Untertanen frieren und müssen ihr Vieh auf dem Balkon halten

PEKING taz ■ Begeistert feierte die amtliche Nachrichtenagentur KCNA gestern den Erfolg des nordkoreanischen „wissenschaftlichen Forschungsteams“, das erstmals in der Geschichte des Landes eine eigene Atombombe getestet hatte.

Dieser Test kam, so jubelte das Sprachrohr der Regierung in Pjöngjang, zu einer „heldenhaften Zeit“, in der „die ganze Bevölkerung des Landes einen großen Sprung macht, hin zum Aufbau einer großen, mächtigen und wohlhabenden sozialistischen Nation“.

Solche Behauptungen gehören zum Alltag in Nordkorea, dessen 1994 verstorbener Staatsgründer Kim Il Sung den 23 Millionen Bewohnern des Landes immer wieder einredete, ihr Land könne aus eigener Anstrengung überleben. Dabei irritierte ihn und seinen Sohn und Nachfolger Kim Jong Il keineswegs, dass Nordkorea in Wahrheit immer von der Hilfe Pekings und Moskaus und anderer sozialistischer Länder abhängig war. Kaum ein nordkoreanisches Kind weiß heute zum Beispiel, dass die damalige DDR nach dem verheerenden Koreakrieg (1950–53) Experten und viel Geld zum Wiederaufbau in das nordkoreanische Bruderland schickte.

Dass Nordkoreas Ingenieure es jetzt geschafft haben, die Bombe zu bauen, verdanken sie keineswegs allein ihrer Leistung. Dies ist vielmehr, wie etwa der US-Experte Gordon Chang beschreibt, das Ergebnis einer langjährigen Kooperation zwischen den Militärs in Nordkorea, Pakistan und China.

Möglich wurde der Test auch durch ein politisches System, das einzigartig ist – und bis heute durch eine Mischung aus brutaler Unterdrückung mit riesigen Arbeitslagern und Sippenhaft, einer Abschottung nach außen, quasireligiöser Verblendung und glühendem Nationalstolz aufrechterhalten wird.

Nach schweren Hungerjahren ist in Nordkorea inzwischen das öffentliche Versorgungssystem zusammengebrochen. Das Bruttoinlandsprodukt des Nordens mit geschätzten 40 Milliarden Dollar war 2005 zwanzigmal niedriger als die Wirtschaftskraft Südkoreas. Wer nicht zum engsten Kreis der nordkoreanischen Elite in Regierung oder Militär gehört, muss Hühner, Hasen oder Schweine auf dem Balkon züchten, um zu überleben. Medikamente fehlen. Selbst in der privilegierten Hauptstadt gibt es im Krankenhaus kein Gips, um gebrochene Beine zu schienen. Solche Not wird in der Propagandasprache von Pjöngjang als „Heldenzeit“ bezeichnet – und alle Nordkoreaner wissen genau, was damit gemeint ist.

Trotzdem schafft es das Regime, zum Geburtstag des Lieben Führers im eiskalten Frühjahr zehntausende Blumen erblühen zu lassen – „Kimjongilias“ und „Kimilsungias“ – in geheizten Gewächshäusern, statt Gemüse zu pflanzen. Es gelingt ihm, eine Atombombe zu bauen, statt die Wohnungen zu heizen und die Bürger zu ernähren.

JUTTA LIETSCH