Richter gegen vorschnelle Polizeigewalt

2005 nahm die Polizei 40 Menschen bei Protestaktion im Viertel fest. Zwei klagen nun auf ihr Versammlungsrecht

Das Verwaltungsgericht Bremen hat gestern über eine Klage gegen die Stadt verhandelt. Im Dezember 2005 hatte die Polizei am Sielwall etwa 40 Punks in Gewahrsam genommen. Die Begründung: Störung im öffentlichen Raum und Belagerung eines Lokals (taz berichtete). Zwei Frauen hatten nun gegen die in ihren Augen rechtswidrige Polizeiaktion geklagt. Sie sehen dabei ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt.

Ob es sich bei dem Protest der Punks um eine Versammlung handelte, konnten die Richter gestern nicht abschließend klären. Die Richter sahen es aber als erwiesen an, dass zumindest eine der Klägerinnen zu Unrecht drei Stunden lang in einer Zelle der Polizeiwache festgehalten worden war. „Sie hat dies glaubhaft versichert“, sagte Richter Ingo Kramer. Die 20-Jährige habe sich der Aktion erst später spontan angeschlossen und so die Aufforderung der Polizei, den Platz zu räumen, nicht gehört.

Das Gericht empfahl der Stadt, in diesem Fall die Klage anzuerkennen. Regierungsdirektor Dieter Göddeke lehnte eine Erklärung jedoch ab: „Die Polizei hat sich korrekt verhalten.“ Nun muss das Gericht entscheiden. Ein Urteil soll Anfang nächster Woche verkündet werden, so Anwalt Thorsten Müller.

Die Vorgeschichte: Im Dezember 2005 hatten sich rund 40 Punks vor dem Bistro-Restaurant „Kapelle“ im Viertel versammelt. Die Punks wehrten sich in Flugblättern gegen die Kommerzialisierung des Viertels und die Verdrängung von Randgruppen. In dem neuen Lokal sahen sie ein Symbol dafür. Vor der „Kapelle“ wollten die Punks auf ihre Situation aufmerksam machen: mit Flugblättern, Essen und Musik aus dem Ghettoblaster. Angeblich entwendeten Einige Stühle aus dem Lokal. Daraufhin verständigte der Betreiber die Polizei. Er hatte schon zuvor Anzeige gegen den „Rädelsführer“ erstattet, weil er sich bedroht fühlte.

Die Polizei erteilte zunächst einen Platzverweis. Dann drängte sie die Punks mit „einfacher körperlicher Gewalt“ in Richtung Dobben zurück. Als das nicht half, nahm die Polizei rund 40 Personen fest.

GESA SCHÖLGENS