Schmökern für Alle

BARRIEREFREIHEIT Leichte Sprache macht Texte für alle verständlich – nun hat sich eine Bremer Initiative auch der Weihnachtsgeschichte angenommen

Für leichte Sprache gelten verschiedene Anforderungen:

■ Knappe Sätze schildern jeweils nur einen Sachverhalt. Fremdwörter werden erklärt oder entfallen. Längere Wörter werden auch entgegen der Rechtschreibung mit Bindestrichen abgetrennt. Wiederholungen sind erlaubt. Zahlen werden als Ziffern geschrieben.

■ Buchstaben haben mindestens Schriftgröße 14. Ein Text wird immer auch eindeutig bebildert, eher kontrastreich als filigran.

■ Eine Liste von Büchern Leichter Sprache gibt es unter www.leichtesprache.org.

Das Bremer Büro für leichte Sprache schreibt Texte für Menschen mit eingeschränkten geistigen Fähigkeiten um: Nun gibt es die Weihnachtsgeschichte heraus, leicht verständlich und bebildert: „In Bethlehem sind viele Menschen. Alle wollen sich zählen lassen.“ Kurze Wörter, knappe Sätze und Verzicht auf Fachbegriffe erleichtern das Lesen.

Vor sechs Jahren hat die Lebenshilfe das Büro eingerichtet. Es war das erste in Deutschland. Seitdem sind viele Broschüren, Verträge oder Formulare umgeschrieben worden. Bürokratisches sei aber nur das eine, denn „die Leute wollen auch schöne Dinge lesen“, sagt Mitarbeiterin Petra Schneider. Deshalb gibt es nun die Weihnachtsgeschichte und mit ihr den Wunsch, grundsätzlich mehr Literatur in leichte Sprache zu fassen. „Die Menschen fühlen sich nicht ernst genommen, wenn sie zu Kinderbüchern greifen müssen“, so Schneider. Ein Blick nach Schweden zeige Alternativen: Auch im Format Wochenzeitung oder Roman gebe es Texte in einfacher Sprache.

Das Bremer Büro strebe an sein Spektrum ähnlich zu erweitern, so Schneider. Da es sich aber selbst finanzieren muss, trägt es sich vor allem durch Aufträge von Behörden oder ArbeitgeberInnen. Die Weihnachtsgeschichte ist neben der alltäglichen Arbeit entstanden, in rund zwei Jahren.

Der Prozess ist nicht einfach: Verschiedene Arbeitsvorschläge liest Nicole Papendorf Probe, die selbst Leseschwierigkeiten hat. Das Ergebnis: Jesus ist zum Beispiel „Gottes Sohn“ und nicht Sohn Gottes, wie sonst im Kirchenjargon. Die drei Könige sind schlicht „drei Männer“. Insgesamt bleibt die bekannte Aussage der Geschichte klar. So könnte es auch mit vielen anderen Texten sein.

Aber im Gegensatz zu Schweden gibt es keine gesetzlichen Verpflichtungen. „Es besteht kein Rechtsanspruch auf Leichte Sprache, nicht einmal bei behördlichen Texten“, sagt Lebenshilfe-Geschäftsführer Andreas Hoops. Letztes Jahr hat das „Netzwerk Leichte Sprache“ eine Petition an den Deutschen Bundestag gerichtet. Auch das Bremer Büro hat unterzeichnet: Wie ein Recht auf Blindenschrift oder Gebärdensprache solle es ein Recht auf Leichte Sprache geben, so Schneider. Daher müsse der Anspruch auch ins Behindertengleichstellungsgesetz aufgenommen werden. ANDREAS KOOB