Vorvorletzter mit offenem Sack

Hannover 96 versäumt, Eintracht Frankfurt den Fangschuss zu setzen – und lässt in der zweiten Halbzeit so sehr nach, dass wieder nur ein Punkt rausspringt. „Cool“ finden das nur die Kleinsten

von JESSICA RICCÒ

Am Samstag war ich bei meinem ersten Fußballspiel. Leider Gottes habe ich überhaupt gar keine Ahnung von Fußball. Ein Glück, dass mein großer Bruder es mir erklärt hat. Die Mannschaften heißen Hannover 96 und Eintracht Frankfurt. Wenn man zum Stadion läuft, trifft man viele Menschen mit roten Schals. Das sind die Hannoveraner. In Hannover gab es mal eine Weltausstellung und gibt es immer noch einen peinlichen Monarchen-Darsteller.

Das ist alles eher mittelmäßig, aber darauf sind die Hannoveraner Stolz. Beim Fußball ist es genauso. Hannover 96 ist zwar Vorletzter der Bundesliga, aber die Fans sind zuversichtlich, dass es bald wieder aufwärts geht. Ein kleiner, rotbeschalter Junge erklärt mir, warum: „Hannover ist cool, weil die immer Gleichstand spielen.“ Aha. Sein Vater flüstert ihm zu, dass Hannover einen Euphoriekick hat, weil es einen neuen Trainer gibt.

Die Frankfurter Fans sagen schon vor dem Spiel, dass ihre Mannschaft verliert. Weil der neue Trainer von Hannover noch nie besiegt wurde und weil es kein Heimspiel ist. Andererseits würden sie als Fans aber aus jedem Spiel ein Heimspiel machen. Es ist alles sehr verwirrend.

Der Trainer von Hannover 96 heißt Dieter Hecking. Hannover hat ihn in Aachen gekauft. Sowas macht man nicht, weil er in Aachen noch gar nicht fertig war. Im Stadion sind schon sehr viele Leute, genau 34.021. Unten turnen die Fußballer. Um sich aufzuwärmen machen sie Silly Walks. Das sieht komisch aus, aber man darf nicht lachen, weil sonst die anderen Sportjournalisten böse gucken.

In der 21. Minute schießt Vahid Hashemian ein Tor und Hannover freut sich, dass es den Heimsieg jetzt endlich mal wieder in der Tasche hat. Fünf Minuten später foult ein Frankfurter, er hat keine Manieren. Als Wiedergutmachung dürfen die Hannoveraner ein Elfmetertor probieren. Der Torwart, in Fachkreisen auch „Keeper“ genannt, hält den Ball aber mit Müh’ und Not fest. Wenn es nach Dieter Hecking gegangen wäre, hätten sie „den Sack da zumachen müssen“. Damit meint er, dass er noch ein Tor für Hannover und gar keine für Frankfurt wollte.

In der Halbzeit gibt es Kartoffelsuppe, Schnittchen und Fachsimpelei. Ein Frankfurter Journalist meint, dass in der Suppe Fleisch sei, aber sein Hannoveraner Kollege behauptet, sie sei vegetarisch. Die Auseinandersetzung ist aufregender als das Spiel.

In der zweiten Halbzeit sind die Hannoveraner Spieler gedanklich schon im Wochenende. Darum kriegen sie auch fast gar nicht mit, dass Alexander Meier aus Frankfurt in der 56. Minute ein Tor schießt. Später sagt Meier: „Wir haben eine gute Mannschaftsmoral. Darum habe ich ein Tor gemacht.“ Er wirkt gelangweilt und er kratzt sich beim Interview, aber wo sage ich nicht.

Der Trainer von Frankfurt heißt Friedhelm Funkel. Er fand das Spiel gut. „Es war erst mühsam und wir haben in der ersten Halbzeit nicht gut gespielt. Während der Pause habe ich in der Kabine sachlich erklärt, dass wir keine Chance haben.“ Friedhelm Funkel ist ein guter Psychologe. Hecking hingegen ist unzufrieden. Seiner Meinung nach haben die Spieler den Spielfaden nach der Pause nicht mehr gefunden. Das sei schade, weil sie die Frankfurter während der ersten Halbzeit „ganz schön durchgeschüttelt“ hätten.

Immerhin ist Hannover in der Bundesliga jetzt nur noch Vorvorletzter. Ich als Italienerin finde ja, dass beide nicht so toll gespielt haben. Ist halt deutscher Fußball.