Geschichten aus Anatolien

Zum zweiten Mal veranstaltet das Essener Kulturzentrum Grend das türkisch-deutsche Literaturfestival Literatürk

Das ist natürlich schlecht: Da findet Ende Oktober in Essen das Deutsch-Türkische Literaturfestival „Literatürk“ statt und Orhan Pamuk, der gerade als erster Türke den Nobelpreis für Literatur zugesprochen bekam, ist nicht dabei. Obschon ihn die Veranstalter nach eigenen Angaben gerne eingeladen hätten, wofür aber das nötige Kleingeld fehlte. Und nun ist es ohnehin zu spät: Pamuk ist jetzt heiß begehrt. Alle wollen ihn. Wie das Auszeichnungen, zumal der Literatur-Nobelpreis, so mit sich bringen.

Für Semra Uzun-Önder aus dem Literatürk-Team ist der Nobelpreis für Pamuk auch ein Signal. Sie gönne es nicht nur ihm selbst, „weil er wunderschöne Bücher geschrieben hat“, es sei auch gut für die ganze Türkei, wo Pamuk bekanntlich umstritten ist. Dass sich der Preis auch auf einen möglichen EU-Beitritt der Türkei auswirkt, glaubt Uzun-Önder jedoch nicht: „Da wirken noch andere Kräfte und Ängste“, sagt die Diplompädagogin.

Auch dafür wurde Literatürk erfunden: um Ängste abzubauen. Uzun-Önder und ihre Kollegen Johannes Brackmann und Filiz Dogan wollen „über Sprache kulturelle Mehrheiten und Minderheiten“ zusammenbringen. Wenn das Geld nur nicht so knapp wäre: Dauerte das Festival im vergangenen, seinem Gründungsjahr, noch vier Tage und hatte zehn Autoren zu Gast, sind es dieses Mal drei Tage und fünf Autoren. Was vor allem daran liegt, dass es 2005 noch Fördergeld gab, das auschließlich an „innovative Projekte“ vergeben wird. Weil es Literatürk schon im zweiten Jahr gibt, ist es formal nicht mehr innovativ.

Deshalb wurde das Programm abgespeckt: Feridun Zaimoglu kommt, was man erwartbar nennen kann. WDR-Moderatorin Asli Sevindim liest aus ihrem Debut „Candlelight Döner“, der ehemalige Istanbul-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, Wolfgang Koydl, berichtet aus der türkischen Hauptstadt, Sadik Yalsizuçanlar von einem großen Gelehrten, und Osman Engin liest in einer Gesamtschule. Eine andere Möglichkeit, die Türkei kennenzulernen, ist die Lesung aus der Anthologie „Von Istanbul über Hakkari“, die 2005 in Zürich erschien. Mehr als 30 Beiträge namhafter Autoren führen ein in die Kultur Anatoliens, in ihre Vielfalt, ihre Lebensformen und Religionen, bei Literatürk gelesen von Studenten. Und nächstes Jahr, sagt Uzun-Önder, kommt vielleicht auch Herr Pamuk. ROS

27. bis 29.10., Essenwww.literatuerk.de