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DISKRIMINIERUNG, DIE AUF NAMEN BASIERT, IST DIE BESCHEUERTSTE SACHE DES 21. JAHRHUNDERTSKevin. Kevin. Wunderbar

JACINTA NANDI

Es gibt ein vietnamesisches Kind in der Kitagruppe meines Sohnes“, sagt mir ein deutscher Kumpel, „der Kevin heißt. Der Arme. Bestimmt haben die Eltern gedacht, das wäre ein total deutscher Name so.“

„Bestimmt wollten sie den deutschesten Namen aussuchen“, sage ich.

„Und jetzt läuft das Kind mit dem Namen Kevin durchs Leben!“, sagt er.

Eigentlich finde ich Diskriminierung, die auf Namen basiert, total bescheuert. Normale Diskriminierung ist schon ziemlich bescheuert, aber bei Namen merkt man, wie krank die Menschen sind. Die Buchstaben K-E-V-I-N sind unglaublich schön. K und V sind an sich sehr schöne, männliche Buchstaben. Ein „in“ am Ende eines Namen ist superschick. Wenn Kevin ein indischer Name wäre, würde niemand drüber lachen. Über Ken lacht man auch nicht, aber Kevin hatte alle Buchstaben von Ken und ist außerdem ein kleines bisschen schöner. Kevin. Kevin ist ein wunderbarer Name.

Aber weil der Name beliebt ist unter Menschen mit wenig Geld, lachen wir den Namen aus, ohne über die Buchstaben nachzudenken. Also, wir lachen die Leute aus für ihre Namenauswahl, merken aber nicht dabei, dass wir oberflächliche Arschlöcher sind, die nicht merken, ob ein Name schön ist oder nicht. Im Vergleich zur Auf-Namen-basierten-Diskriminierung ist Rassismus total logisch und durchdacht.

„Das ist total willkürlich mit den Namen“, sage ich. „Warum sind amerikanische Namen tabu, aber skandinavische cool?“

„Es hängt natürlich nur damit zusammen, welche Art von Menschen amerikanische Namen gut finden und welche Art von Menschen skandinavische Namen gut finden, Jaci.“

Diskriminierung, die auf Namen basiert, ist einfach Diskriminierung als Hobby. Man macht das nur, um diskriminieren zu können.

Ehrlich gesagt, ist der Name meines Sohnes in dieser Kolumne ein Künstlername. Ryan. Aber gleich verrate ich seinen echten Namen, nur einmal – danach müsst ihr das löschen aus eurem Gedächtnis, wegen Privatsphäre und so.

Neulich habe ich mit einem Jungen, der Marcel heißt, in einer Kneipe gequatscht.

„Ich finde die Kategorisierung von Namen als Ostnamen total unhilfreich!“, sagte er. Ich lächelte ihn ziemlich verliebt an.

„Oh Marcel!“, sagte ich. „Da bin ich mit dir zu 150 Prozent einverstanden! Ich finde es so was von unhilfreich.“

„Eine Freundin von mir heißt Mandy, sie muss damit rechnen, dass, wenn sie Leuten ihren Namen verrät, die sie auslachen. Ist das hilfreich? Ist das eine hilfreiche Reaktion?“

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

Mittwoch Matthias Lohre KonservativDienstag Deniz Yücel Besser Mittwoch Martin Reichert Erwachsen Donnerstag Ambros Waibel Blicke Freitag Michael Brake Nullen und Einsen

„Das ist total unhilfreich!“, rief ich. „Oh, Marcel, ich bin so glücklich, dass ich dich kennen gelernt habe. Du sprichst mir aus dem Herzen. Ich finde Diskriminierung, die auf Namen basiert, die bescheuertste Sache des 21. Jahrhunderts. Ich habe meinen Sohn Rico genannt.“

Marcel machte einen Gesichtsausdruck, der einer Grimasse wirklich sehr nah war.

„Rico?“, fragte er. „Nein, das ist echt ein Ostname!“

Ich hätte ihn Ryan nennen sollen.

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