Undercover-Reisen

Vom Okzident in den Orient (1): Wie bringt man Medizin-Hightech nach Jordanien? Na klar, in einem Hippie-Bus

Wir sollen medizinisches High-Tech-Material nach Jordanien bringen. Freunde, Ärzte in Amman, benötigen die Ultraschallgeräte, um kostenlos palästinensische Frauen untersuchen zu können. Eine komplett humanitäre Eigeninitiative, selbst finanziert. Doch leicht ist so ein Unterfangen nicht zu bewerkstelligen, legal zumindest.

Die Serben beispielsweise verlangen für jedes Mobiltelefon und alles, was mehr als 100 Dollar wert ist, eine Deklaration. Was erst werden die Türken, die Syrer und erst die Jordanier sagen? Unser Bus ist perfekt als Happy-Hippie-Travel getarnt, aber eigentlich sind wir ein Undercover-Reporterteam und eine private Hilfslieferung. Womit die Einreise nach Syrien noch illegaler wird, denn um dort journalistisch zu arbeiten, muss man sich bereits bei der Beantragung des Visums einem anderthalbstündigen Interview mit dem Presseattaché in Berlin unterziehen. Wie man zum Herren Präsidenten steht, ob man politische Artikel schreiben möchte, das geht natürlich nur staatskonform und unter Aufsicht.

Leider hatten wir auch nicht mehr genug Geld, Zeit und Nerven, ein „Carnet de Passage“ zu beantragen, welches man normalerweise braucht, um ein motorisiertes Gefährt in die Länder südlich der Türkei einzuführen. Wir nahmen den allerkleinsten Grenzübergang nach Tschechien, Bad Gottleuba, mitten in der Nacht, wir waren die einzigen Reisenden. Leider machte einer unserer beiden ostdeutschen Mitreisenden Probleme. Nicht der Ex-Chrystal (osteuropäische Modedroge, „Turbo-Speed“)-Junkie, ursprünglich Lkw-Mechaniker, jetzt Kameramann, wurde rausgebeten. Sondern der Leipziger Theaterschreiber, der dringend den dritten Akt seines neuen Stücks zu Ende schreiben will und 130 Euro Rest-Hartz-IV mit ungeklärter Restfinanzierung für die kommenden acht Wochen dabei hat.

„Den!“, forderte der Bundesgrenzschutzbeamte, „Herrn K. hätten wir mal gerne, gegen Sie liegt Haftbefehl vor. Wir fordern mal Ihren Vorgang an. Solange können Sie uns schon mal ihr Gepäck zeigen …“ Dope-Beutel verschwanden in Unterhosen, Blättchen wurden in irgendwelche Bus-Rillen gesteckt und der Ex-Junkie zerlegte seine riesige Bong schnell in ihre Einzelteile. Zum Glück kam das Fax mit der Erklärung für den Haftbefehl schnell: Der Herr K. hatte vor zwei Jahren schlimmen Liebeskummer. Er betrank sich auf 2,2 Promille und fuhr dann mit dem Fahrrad in Straßenbahnschienen, stürzte brutal, brach sich den Kiefer, bekam den Führerschein entzogen und sollte 500 Euro Strafe zahlen, was er aber nicht tat. Der Araber, im Ramadan noch menschenfreundlicher als sonst, kaufte Herrn K. frei.

Trotz des misslichen Starts schickte er schnell ein Dankesgebet an Allah: Das medizinische Hightech, das unangemeldete Motorrad, Kifferreiseproviant und einen kriminalisierten Theaterautor hatten wir im auf einen fremden Namen angemeldeten Bus außer Landes bekommen. CARETTA VAN BANGO

Eine taz-Reporterin, 32, fährt mit einem alten Mercedes-508-Bus, 31 Jahre alt, und einem arabischstämmigen Kameramann, 30, Richtung Jordanien. Ein Undercover-Reisebericht vom Okzident in den Orient