Niebel bewältigt Peru

ERINNERUNG In Lima ist Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel Ehrengast bei der Grundsteinlegung eines Menschenrechtsmuseums, das Präsident García nicht wollte

Präsident García gab erst nach Protesten von MenschenrechtlerInnen nach

VON GERHARD DILGER

PORTO ALEGRE taz | Am Donnerstag hat Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) in Lima wohl den Höhepunkt seiner neuntägigen Reise durch drei Andenländer erlebt: Perus Präsident Alan García lud ihn als Ehrengast zur Grundsteinlegung des Menschenrechtsmuseums „Ort der Erinnerung“ im Stadtteil Miraflores. Dort soll der über 70.000 Todesopfer des Bürgerkriegs der 80er und 90er Jahre gedacht werden. Das ist nicht selbstverständlich: Noch im Februar 2009 wollte Perus Regierung eine entsprechende Spende umwidmen, die Niebels Vorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul nach der Vorarbeit deutscher Menschenrechtsaktivisten ausgewiesen hatte. „Wenn es den Menschen an medizinischer Versorgung fehlt, bringt uns ein Museum überhaupt nichts“, erklärte der damalige Verteidigungsminister Flores-Aráoz. Nach Protesten von MenschenrechtlerInnen musste Staatschef García schließlich nachgeben.

Zum Vorsitzenden der zuständigen Kommission berief er den Schriftsteller Mario Vargas Llosa. Doch der prominente Rechtsliberale, der mittlerweile den Literaturnobelpreis zugesprochen bekam, trat Mitte September aus Protest gegen ein Amnestiedekret Garcías zurück. Von der Straffreiheit würden „viele Personen mit Verbindungen zur Diktatur“ von Alberto Fujimori profitieren, schrieb Vargas Llosa, „sowie solche, die wegen Menschenrechtsverbrechen verurteilt sind oder vor Gericht stehen“. Offenbar aufgrund des Drucks von Militärs und wahltaktischen Erwägungen geplante Begnadigungen seien „grundlegend unvereinbar“ mit dem Bau der Gedenkstätte. Darauf annullierte das Parlament Garcías Dekret fast einstimmig.

Vorgestern forderte Salomón Lerner, der Vorsitzende von Perus Wahrheits- und Versöhnungskommission, die Regierung erneut auf, die Verantwortung des Staates für die Menschenrechtsverletzungen endlich anzuerkennen. Besonders Alan García, in dessen erste Amtszeit (1985–1990) „die höchste Zahl der Todesopfer fiel, meidet das Thema“, sagte Lerner.

Von 2001 bis 2003 hatte die Wahrheitskommission den Konflikt zwischen der maoistischen Guerillabewegung „Leuchtender Pfad“ und dem Staat untersucht. Die Hauptverantwortung trügen die Rebellen, sagte Lerner erneut, aber auch Polizisten und Soldaten hätten „systematisch“ Menschenrechtsverbrechen begangen: „Wir haben mit Alan García gesprochen, er hat seine Verantwortung in mehreren konkreten Fällen abgestritten. Und auch sonst hat er gezeigt, dass er sich nicht für Menschenrechte interessiert.“ So mache sich der Präsident auch für die Wiedereinführung der Todesstrafe stark.

„Perus finanzielle Lage ist gut“, sagte Lerner, „es geht nicht um Geldmangel, sondern um mangelnden Willen zu einer moralischen und finanziellen Wiedergutmachung“. Die deutsche Regierung übernimmt gut die Hälfte der Kosten für das Museum, die sich auf insgesamt 5 Millionen Dollar belaufen.

Zuvor hatte Niebel in Bolivien dem sozialistischen Präsidenten Evo Morales ein Stück der Berliner Mauer überreicht und für ausländische Investoren Rechtssicherheit angemahnt. In Kolumbien, wo er noch gestern erwartet wurde, muss er sich gegen Vorwürfe wehren, er plane die Entwicklungszusammenarbeit mit einem Aufstandsbekämpfungsprogramm der Regierung.