Der Briefwechsel

Kein Thema ist Eltern wichtiger. Nirgendwo verbringen Kinder tagsüber mehr Zeit. Die Schule vermittelt Wissen und entscheidet mit über Erfolg und Misserfolg im Leben. Was denken SchülerInnen über Lehrer, Mitschüler, Lehrpläne, Reformen und Verbote? Was meinen LehrerInnen dazu? Hier erscheint in loser Folge ein Austausch zwischen SchülerInnen und LehrerInnen. Lust aufs Briefeschreiben? bildung@taz.de

DIE FRAGE
Muss es so frontal sein?

Wieso stehen Lehrer eigentlich noch immer so oft frontal vor der Klasse und versuchen, uns sämtlichen Stoff, den der Lehrplan vorsieht, einzutrichtern? Das ist langweilig und man schaltet schnell ab.

Außerdem vergessen viele Lehrkräfte, während sie vor der Klasse stehen und reden oder uns etwas erklären, Folgendes: Wir sind keine homogene Masse, in der alle den gleichen Lernstand haben. Einige von uns haben den Stoff schon längst verstanden und langweilen sich, während andere nicht mehr mitkommen und verzweifeln. Nur wenige sind genau an dem Punkt, an dem der Unterricht anknüpft.

Wie wäre es, wenn es anstelle von Frontalunterricht Projektunterricht an Gruppentischen geben würde? Und es sollten Exkursionen und Gespräche stattfinden, in denen man eigene Bezüge zum Thema aufbauen kann. Es könnte Aufgaben zu den verschiedenen Lernniveaus geben.

Dann könnten alle selbstständig arbeiten. Die Lehrkraft geht von Tisch zu Tisch und hilft. Sie ist ein Teil der Gemeinschaft.

Aber um das zu erreichen, muss sich die Schule verändern. Und mit ihr müssen es die Lehrer: Wir SchülerInnen sind nicht für euch in der Schule – ihr Lehrkräfte seid da, um unser Lernen zu begleiten!

Clara Fischlein, 14 Jahre, besucht die 9. Klasse der Montessori-Gemeinschaftsschule in Berlin

DIE ANTWORT
Es lebe der Lehrervortrag!

Wenn in deiner Klasse hin und wieder Referendare unterrichten, dann wirst du vermutlich Folgendes festgestellt haben: Frontalunterricht findet vor allem dann nicht statt, wenn der Referendar Besuch seines Ausbilders bekommt. Denn Frontalunterricht ist verpönt, der Lehrervortrag dient als überholt und wird nur noch von älteren Lehrern verteidigt.

Das Maß aller Dinge hast du benannt: Projektunterricht! Schüler arbeiten in kleineren Gruppen, ihren Möglichkeiten entsprechend, über einen längeren Zeitraum und präsentieren am Ende ihr Resultat. Der Lehrer ist nur noch der Lernbegleiter – so wie du ihn dir wünschst. Und natürlich hat diese Art Unterricht viele Vorzüge, die du ja auch erwähnt hast. Deshalb sollte man darauf nicht verzichten, sondern immer wieder Projektphasen in den Unterricht einbauen.

Aber: Obwohl ich noch nicht so alt bin, bin ich ein Befürworter des vom Aussterben bedrohten Lehrervortrags! Lehrer, also Menschen aus Fleisch und Blut, sollten noch immer in der Lage sein, vor der Klasse zu stehen und die Klasse mit bestenfalls leuchtenden Augen für ihren Stoff zu begeistern. Und hin und wieder sollen sie ruhig zehn Minuten einfach erzählen.

Seltsamerweise wird oft bedauert, dass Schüler nicht mehr so gut zuhören könnten. Aber es ist wichtig, in bestimmten Situationen konzentriert zuhören zu können. Deshalb sehe ich es als bildungspolitisches Eigentor, wenn der Lehrervortrag aus allen Methodenfibeln verbannt wird.

Ich kann mir vorstellen, nach drei Monaten ausschließlichen Projektunterrichts würden sich die ersten Schüler nach „den guten alten Zeiten“ sehnen, als der Lehrer nicht Lernbegleiter, sondern vor allem Lehrer war. Später in der Berufswelt werden sie mit den unterschiedlichsten „Methoden“ und mit den unterschiedlichsten Vorgesetzten zurechtkommen müssen – und darauf bereitet die Schule die Schüler nur dann vor, wenn es an der Schule weiterhin methodische Vielfalt gibt. Lehrervortrag inklusive.

Und ich bin vollkommen deiner Meinung, dass Lehrer für die Schüler da sein sollten und nicht umgekehrt. Aber sind sie das denn nicht auch dann, wenn sie frontal unterrichten?

Arne Ulbricht, 41 Jahre, unterrichtet an einem Berufskolleg in Nordrhein-Westfalen Französisch und Geschichte