berliner szenen Drama vorm Balkon

Schluss machen

Mein Balkon ist klein und schmucklos, Bepflanzungen hat der Vermieter verboten. Aber wenn die schönen, jungen Menschen am Wochenende unter meinem Balkon vorbeilaufen, der im ersten Stock und nahe an der Straße liegt, könnte man nach dem zweiten Gin Tonic denken, man wäre im Café und käme gleich mit jemand vom Nachbartisch ins Gespräch.

Ich sitze auf der Balustrade, in der einen Hand die Zeitung, in der anderen das Glas und sehe, wie die schönen jungen Menschen den Stadtplan auseinanderfalten, auf der Suche nach der Simon-Dach-Straße. „Es ist nicht mehr weit, schließt die Karten, beruhigt eure Mädchen, ihr müsst nur um die Ecke biegen!“, möchte ich rufen, natürlich immer in der Hoffnung, einmal mitgenommen zu werden.

Am letzten Samstag war ich kurz davor, denn unter meinem Balkon wurde gerade Schluss gemacht. Das passiert oft, besonders am Wochenende spielen sich vor meinen Ohren Tragödien ab, deren Ablauf ich erst spät verstanden habe, weil ihnen die Hiobsbotschaft über das handliche Telefon mitgeteilt wird. Meistens liest die gerade Verlassene ihrer Freundin die Schluss-gemacht-Nachricht weinend vor, die dann fast immer „voll blöd, der Typ“ antwortet. Dann gehen sie Arm in Arm weiter, und ich kann nichts mehr verstehen.

Doch letzten Samstag hörte ich, wie ein Mädchen von „Rache, Krieg und Vergeltung“ sprach. Begeistert wollte ich meine Faust ballen und „Der Kampf geht weiter!“ schreien, aber da man meinen Rat für antiquiert hätte halten können, sagte ich nach dem dritten Gin Tonic laut: „Back doch einen duftenden Apfelkuchen und bau ihm ein warmes Nest!“

„Wohl zu viel Eva Hermann gelesen!“, schrie das Mädchen zurück. JUTTA RAULWING