In freier Wildbahn

Aaron Hunt, der schüchterne Bad Boy, entwickelt sich zu einer festen Größe bei Werder Bremen

AUS BREMEN FRANK HELLMANN

Die grellen gelben Leibchen verteilt Trainer Thomas Schaaf ohne einen Mundwinkel zu verziehen. Doch mitunter lösen sie beim Empfänger freudige Erregung aus. Denn: Wer beim Abschlusstraining in dessen Besitz ist, der spielt meist auch tags darauf im Weserstadion. Aaron Hunt war zuletzt stets Adressat der begehrten Textilie: Auch heute im Champions-League-Heimspiel gegen Levski Sofia (20.45 Uhr/DSF) wird der 20-Jährige neben Miroslav Klose stürmen.

Genau drei Wochen ist es her, da eröffnete ihm Co-Trainer Wolfgang Rolff am Morgen des Spiels gegen den FC Barcelona, dass er erstmals von Beginn gebraucht würde. „Ich konnte das kaum glauben“, erinnert sich Hunt. Ivan Klasnic hatte wieder einmal aufreizend lässig trainiert, Mohamed Zidan und Hugo Almeida waren außer Form oder verletzt – also belohnte Schaaf den stets trainingsfleißigen Jung-Stürmer. „Irgendwann musste ich meine Chance bekommen“, sagt Hunt heute, „aber Stammspieler bin ich dann, wenn ich wirklich jedes Spiel mache.“ Gegen Barcelona war Hunt prompt einer der Besten, gegen Mönchengladbach und in Bochum hat er seine Bundesliga-Tore zwei und drei geschossen. Hunt, vor Saisonbeginn ernsthaft an einer Ausleihe zum VfL Bochum interessiert, ist der Überflieger im Bremer Aufgebot.

Die Zeiten sind nicht lange her, da machte der Linksfuß auf anderen Schauplätzen von sich reden. Auf der Disco-Meile in der Innenstadt, nur einen Fußmarsch von seiner Wohnung in der Bremer Neustadt entfernt, ließ sich Hunt gleich zweimal nächtens in Schlägereien verwickeln, die auch die Polizei auf den Plan riefen. Dem Rausschmiss entging Hunt damals nur deshalb, weil Trainer Schaaf zu seinen Förderern zählt. „Und Aaron machte auf uns nicht den Eindruck, dass er nicht auf den rechten Weg zu bringen ist“, ergänzt Sportdirektor Klaus Allofs, „wir können von jungen Spielern nicht erwarten, dass sie sich nur zwischen Couch und Trainingsplatz bewegen: In freier Wildbahn lauern halt Gefahren.“

Deshalb war es Werder alles andere als recht, als Hunt unlängst nach dem U21-EM-Qualifikationsspiel gegen England mit Rassismus-Vorwürfen konfrontiert wurde. Hunts Mutter ist Engländerin, er weilte früher häufiger bei Verwandten in London, kennt sich mit englischen Schimpfwörtern aus. Zudem zeigten Fernsehbilder eindeutig die verbale Auseinandersetzung mit Anton Ferdinand. „Ich habe aber nie rassistische Begriffe gebraucht“, wehrt sich Hunt. „Es sind auf dem Platz derbe Beleidigungen gefallen. Das muss danach aber vergessen sein.“ Was bleibt: Der in der Öffentlichkeit schüchtern wirkende Fußballer wandelt immer noch auf einem schmalen Grat. „Er hat seine Lektionen gelernt“, hofft Allofs. Im Januar wird Hunt zum ersten Mal Vater, Freundin Jennifer und dem Verein hat er versprochen, nicht mehr so häufig wegzugehen – „ich stehe in der Verantwortung.“

Bereits mit 14 Jahren verließ Hunt das Elternhaus in Goslar, um im Werder-Internat den Traum von der Profikarriere zu verwirklichen. Eine schwierige Phase für den als sensibel geltenden Realschüler. „Nach einem halben Jahr wollte ich wieder weg, ich hatte so Heimweh“, erinnert sich Hunt. Sein damaliger Trainer Bernd Pfeiffer überredete ihn zu bleiben. Heute ist Hunt dankbar dafür. „So habe ich früh gelernt, alles selbst zu organisieren.“ Seine Bremer Zukunft ist nun gesichert: Bei Berater Roger Wittmann liegt ein unterschriftsreifer Zwei-Jahres-Vertrag – zu deutlich verbesserten Konditionen versteht sich. „Es ist fast alles klar“, sagt er, „ich will ja in Bremen bleiben.“ Und heute mit Werder den Grundstein für das Überwintern im europäischen Geschäft sichern. „Wenn wir jetzt beide Spiele gegen Sofia gewinnen, haben wir immerhin schon mal den Uefa-Cup sicher.“